Beatmusik im Gottesdienst

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Jena (sl). „Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen? Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Je-Je-Je und wie das alles heißt, ja, sollte man doch Schluss machen.“ – Unverständnis und schroffe Ablehnung der „dekadenten“ Beatmusik sprechen aus den Worten Walter Ulbrichts. Der SED-Generalsekretär schwenkte 1965 wieder auf einen restriktiven Kurs gegen eine Jugendkultur, die sich jenseits herrschender Moralvorstellungen entfalten wollte. Der Bannstrahl von ganz oben traf langhaarige Blueser, die abwertend auch als „Gammler“ bezeichnet wurden, die sich nicht ins Bild von der braven sozialistischen Jugend einfügen mochten. Einen Freiraum fanden diese Jugendlichen in der Offenen Arbeit der Evangelischen Kirche.

„Die Offene Arbeit begann damit, dass sich einzelne Pfarrer und Diakone der Blueser-Szene annahmen“, konstatiert Anne Stiebritz vom Institut für Bildung und Kultur der Universität Jena. Die „Blueser“ gehörten zu einer Subkultur, die sich jenseits von FDJ und Junger Gemeinde bewegte, stets beargwöhnt von den Behörden. Später kamen Punks, Skins und Metaller hinzu.

Anne Stiebritz hat die Offene Arbeit in Thüringen erforscht. Ergebnisse ihrer Arbeit fließen ein in die Tagung „Offene Arbeit als Raum protestantischer Bildung“, zu der das Landesgraduiertenkolleg „Protestantische Bildungstraditionen in Mitteldeutschland“ der Universität Jena am 27. und 28. Januar 2012 einlädt. Eröffnet wird die Tagung vom Leiter des Landesgraduiertenkollegs Prof. Dr. Dr. Ralf Koerrenz. Danach kommen sowohl Zeitzeugen als auch Wissenschaftler zu Wort, manchmal sogar in einer Person vereint. So im Falle von Dr. Aribert Rothe, der als Stadtjugendpfarrer in Erfurt enge Kontakte zur Offenen Arbeit Erfurt hatte und nach 1989 die Erwachsenenbildung in Thüringen mitgeprägt hat. Ein weiterer Zeitzeuge ist Thomas „Kaktus“ Grund, der heute als Sozialarbeiter in Jena-Winzerla arbeitet. Grund stellt Filmsequenzen vor, die in den 1980er Jahren in der Offenen Arbeit entstanden sind.

Anne Stiebritz wird im Abschlussvortrag über Offene Arbeit als Bildungsarbeit sprechen und „Perspektiven der Erforschung von Offener Arbeit“ aufzeigen. Von Politikwissenschaftlern und Historikern sei dieses Feld bereits beackert worden, sagt sie. Es gelte, von Seiten der Erziehungswissenschaft neue Zugänge im Rahmen einer kritischen Anerkennung der Offenen Arbeit zu finden.

Die Tagung „Offene Arbeit als Raum protestantischer Bildung“ findet am 27. und 28. Januar 2012 im Senatssaal der Friedrich-Schiller-Universität Jena statt (Fürstengraben 1). Die interessierte Öffentlichkeit ist herzlich eingeladen, die Teilnahme ist kostenlos, jedoch wird um Anmeldung gebeten per E-Mail an: Nikola.Herold@uni-jena.de.

Das Programm der Tagung im Internet: www.pbt.uni-jena.de.