Der Kapitän verlässt die Brücke

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Die Saale fließt in ihrem gleichmäßigen Strom, macht das was sie immer tut, was sie schon immer tat, sie fließt im Strom der Zeit. Im Radio läuft Alanis Morissette mit „Thank you“. Es ist eine Szenerie wie gemalt, an einem gemütlichen Cafe an der Saale für das letzte Gespräch mit dem scheidenden Science City Jena-Kapitän Christoph Roquette.

Der gebürtige Lübecker wird den Thüringer Zweitligisten auf eigenen Wunsch verlassen, wird in den Norden gehen, zurück in die Heimat, zu Freundin Dana Penno, die bereits in Hamburg wartet. „Es waren drei schöne Spielzeiten, mitunter drei harte, aber auch erlebnisreiche und prägende Jahre. Deshalb gehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagt Christoph „Rocky“ Roquette, dem der Abschied aus der Saalestadt sichtlich schwer fällt. Unterdessen sind in Basketball-Jena gleich zwei weinende Augen zu trocknen, stand der sympathische 30-Jährige doch in erster Linie für Geradlinigkeit, Einsatzbereitschaft, Kampf und Hingabe. Er war sich auch nach Niederlagen nicht zu schade um Rede und Antwort zu stehen, nahm dabei meist kein Blatt vor den Mund, sondern entgegnete stets in seiner offenen Art und Weise. Drei Spielzeiten führte die Nummer 41 seine Mannschaft in die Schlacht, diskutierte mit Schiedsrichtern nach umstrittenen Entscheidungen, haderte mit verworfenen Korblegern, feierte seine hochprozentigen Schüsse aus der Mitteldistanz oder feuerte Kollegen an, wenn die Kraft in den Beinen nachließ und er nur noch von der Bank aus zuschauen konnte.

Der Kapitän verlässt die Brücke, jedoch keinsfalls ein sinkendes Schiff. Science City hat sich auch dank der Mithilfe des Routiniers als Identifikationsfigur der letzten drei Spielzeiten wieder zu einem ambitionierten Basketball-Club gemausert, darf nicht zuletzt mit dem Hallen-Neubau in Jena-Burgau optimistisch in die Zukunft blicken. „Jena steht perspektivisch so gut da wie selten zuvor. Hier kann etwas wirklich großes entstehen. Die Stadt hat viel Basketball-Potential, sagt Roquette, um nachzuschieben: „Es ist ein eigenartiges Gefühl, fast so als würde man seine Familie verlassen. Es waren hier in Jena drei geile Jahre. Ich habe mich sehr wohlgefühlt, wurde immer mit viel Respekt behandelt, von Mannschaft, Coaches und unseren Fans. Deswegen will ich die Gelegenheit nutzen, mich noch einmal in aller Form bei jedem zu bedanken und nicht einfach wortlos zu verschwinden. Ich habe am Anfang die Rolle des Kapitäns übernommen, konnte auch persönlich mit dieser Aufgabe wachsen“, so der Flügelspieler. Dabei richtet Rocky den größten Dank an die Anhänger des Zweitligisten. „Die Fans standen auch in den schweren Phasen, in kritischen Spielen und kniffligen Momenten immer hinter uns. Solang wir kämpften, gerannt sind, uns richtig reingekniet haben und uns keine Vorwürfe machen mussten, nicht wirklich alles gegeben zu haben, waren für unsere Fans auch Niederlagen kein Beinbruch“.

Mit den noch immer frischen Eindrücken des Playoff-Halbfinal-Einzugs gegen Göttingen findet sich aus Sicht der 30-Jährigen auch schnell das sportliche Highlight der letzten Jahre. „Spiel 4 war überragend. In der Playoff-Serie gegen Göttingen haben selbst unsere Fans noch einmal eine Schippe drauflegen können, haben uns in der Schlussphase des entscheidenden Heimspiels quasi zum Sieg gebrüllt“, sagt Roquette. Ob er nach der Ankunft in Norddeutschland trotz seines Einstiegs in den ganz regulären Berufsalltag noch einmal den Ball in die Hand nehmen wird, muss die Zukunft zeigen. Sowohl ProB-Ligist Rist-Wedel als auch die Regionalliga-Mannschaft aus Itzehoe bekundeten zuletzt großes Interesse an einer Verpflichtung des ehemaligen Jenaer Kapitäns. „Noch gibt es nichts konkretes. Wir sind derzeit nur am Quatschen“, sagt Roquette, der auf 12 Jahre Zweitligabasketball-Erfahrung zurückblicken kann. An der Saale bleibt „Rocky“ ein gerngesehener Gast, egal ob in Zivil oder im Trikot eines Kontrahenten.

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