Forscher der Universität Jena gibt Buch über Zuwanderer in Deutschland und Israel mit heraus

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Rund ein Fünftel der deutschen Bevölkerung haben ausländische Wurzeln. Eine der größten Zuwanderergruppen sind die sogenannten „Aussiedler“: deutschstämmige Minderheiten aus der ehemaligen Sowjetunion. Die Integration fällt einigen nicht leicht, denn sie leben zwischen zwei Kulturen mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Wertesystemen. Hinzu kommen die idealisierten Hoffnungen der zurückkehrenden Migranten an die neue, alte Heimat und die hohen gesellschaftlichen Erwartungen an ihre soziale Integration. „Die meisten von ihnen leben jedoch keineswegs am Rand der Gesellschaft und kommen gut in Deutschland zurecht“, sagt Prof. Dr. Rainer K. Silbereisen von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Sie streben nach ähnlich hohen beruflichen Zielen wie ihre einheimischen Altersgenossen und für viele Jugendliche ist die Migration eine Chance für eine positive Entwicklung“, konstatiert der Entwicklungspsychologe.

Silbereisen (Bild; Foto: Anne Günther/FSU) ist Mitherausgeber des jüngst erschienenen Buches „The Challenges of Diaspora Migration. Interdisciplinary Perspectives on Israel and Germany“. Es beleuchtet die Situation junger Aussiedler in Deutschland sowie von Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion in Israel im Vergleich zu anderen ethnischen Minderheiten, wie etwa Türkischstämmigen in Deutschland und israelischen Arabern, sowie Einheimischen. Schwerpunkt der Publikation ist die psychosoziale Entwicklung während wichtiger biographischer Übergänge von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter. „Es ist das erste Buch, das die Lebenslage von jungen Diaspora-Migranten in Deutschland und Israel umfassend und interdisziplinär analysiert und anderen Bevölkerungsgruppen gegenüberstellt“, betont Prof. Silbereisen.

Das Buch basiert auf den Ergebnissen des deutsch-israelischen Forschungsverbundes „Migration und gesellschaftliche Integration“, der von 2006 bis 2010  vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 3,5 Millionen Euro gefördert wurde. Psychologen, Soziologen sowie Erziehungs- und Sprachwissenschaftler hatten etwa 17.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland und Israel befragt. Für die neue Publikation sind die Ergebnisse nun umfassend überarbeitet und mit weiteren Beiträgen ergänzt worden. Darüber hinaus informiert das Buch über die Hintergründe der Diaspora-Migration in der Welt und zieht Schlussfolgerungen für Politik und Wissenschaft.

Ein wichtiger Türöffner für eine erfolgreiche gesellschaftliche Integration ist es in beiden Ländern, die jeweilige Landessprache zu beherrschen. „Kindergartenkinder russischsprachiger Einwanderer in Deutschland begreifen sich überwiegend als bikulturell russisch-deutsch, Kinder von Einwanderern in Israel jedoch ausschließlich israelisch – und zwar bei vergleichbarer Kompetenz in der Landessprache“, sagt Silbereisen. Interessant sei auch, dass die oft beobachteten schlechteren schulischen Leistungen von Migranten weniger kulturell bedingt sind, sondern mit dem im Durchschnitt geringeren sozialen Status zusammenhängen. „Dabei ist aber die soziale Mobilität in Israel deutlich höher als in Deutschland“, unterstreicht der Leiter des Forschungskonsortiums.

Das nun vorliegende Buch zeichnet ein detailliertes Porträt junger Migranten in Deutschland und Israel. Zudem halte es beiden Gesellschaften den Spiegel vor, so Silbereisen: „Israel versteht sich als Einwanderungsland, das die Integration der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen erfolgreich meistert. Doch die ethnischen Gruppen leben räumlich stark voneinander getrennt, was natürlich für sozialen Zündstoff sorgt.“ In Deutschland hingegen entscheide noch immer die Herkunft maßgeblich über gesellschaftlichen Erfolg. „Es wird noch einige Zeit dauern, bis sich Deutschland seiner Multikulturalität wirklich bewusst wird“, sagt Rainer Silbereisen. „Häufig wird Zuwanderung nur in Zusammenhang mit Problemen thematisiert, doch Migranten sind viel mehr: nämlich ein gewaltiges bikulturelles Kapital“, betont der Jenaer Entwicklungspsychologe.