Fotoausstellung „Landschaft mit Campanile I“ in Erfurter Erinnerungsstätte Topf & Söhne

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Wenn in den kommenden Tagen des Kriegsendes (8. Mai 1945) und unter anderem der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald (11. April 1945) gedacht wird, öffnet in Erfurt die Fotoausstellung „Landschaft mit Campanile I“.

Diese zeigt, wie nah Orte der Hoch- und Unkultur beieinander gelegen haben und liegen – und wie sehr viele Orte bis heute sichtbar mit den Gräueltaten der Nationalsozialisten verbunden sind. Dafür hat ein Erfurter über Monate hinweg verschiedene Sehenswürdigkeiten in der Landeshauptstadt Erfurt und in Weimar fotografiert. Die Besonderheit: Auf allen Aufnahmen ist das Mahnmal für die Opfer des Konzentrationslagers Buchenwald zu sehen, der Campanile, der Glockenturm am Ettersberg. Die Ausstellung eröffnet am 11. April in der Erfurter Erinnerungsstätte Topf & Söhne, den Ofenbauern des Vernichtungslagers Auschwitz.

Im Rahmen der Ausstellung werden zunächst Erfurter Motive zu sehen sein. Allein durch den Blickwinkel hat Aribert Spiegler dabei neue, unbekannte Sicht- und Kontextachsen zwischen Orten der Hochkultur und der Barbarei hergestellt. Ein Motiv zeigt beispielsweise den Erfurter Domberg. „Beide Kirchen dort sind Zeugnisse gotischer Kirchenbaukunst und gelten als Orte architektonischer Hochkultur. Fast zum Greifen nahe erhebt sich im Hintergrund der so friedlich erscheinende Ettersberg. Doch der Campanile zwischen den Türmen der beiden Kirchen erinnert daran, dass sich auf dem Rücken des Ettersberges das KZ Buchenwald befand – ein Ort der Unkultur“, sagt Aribert Spiegler. Durch seine ungewöhnliche Wahl von Perspektiven lässt er das Gewohnte für jene Betrachter in neuem Licht erscheinen, die um die Geschichte der Orte und Sehenswürdigkeiten wissen.

Ein anderes Foto wirkt auf dem ersten Blick wie ein Postkartenmotiv. Es offenbart dem Betrachter aber nicht nur einen Blick über die Dächer der Altstadt Erfurts. Vielmehr dokumentiert es durch die drei zu sehenden Türme auch einen Teil ihrer widersprüchlichen Geschichte. Im Vordergrund links ist unscharf das Turmdetail vom Gebäude der Landespolizeidirektion Erfurt, der zu DDR-Zeiten berüchtigten Stasi-Bezirksverwaltung, zu erkennen. Sie wurde am 4. Dezember 1989 als erste Einrichtung ihrer Art durch die Erfurter Bürger besetzt. Im Fokus scharf abgebildet ist etwas weiter rechts ein Turm des Augustinerklosters zu sehen. Berühmt wurde dieses Kloster durch den hier in den Jahren von 1505 bis 1511 lebenden Mönch und späteren Kirchenreformator Martin Luther. Im Hintergrund, der nur blass am Südhang des Ettersberges wahrnehmbare Campanile. „Gerade seine Erscheinung zwingt zum Weiterdenken über das Gefällige hinaus“, erklärt Spiegler und fährt fort: „Waren es nicht unsere Zeitgenossen, die sich willfährig für die Bespitzelung Andersdenkender – und im benachbarten Gefängnis der Stasi-Bezirksverwaltung auch für deren psychische Folter – missbrauchen ließen wie schon Menschen zur Zeit des Nationalsozialismus? Und was hat sie dazu bewogen? Der Campanile zwingt aber auch über die andere Seite des wortgewaltigen Reformators Luther nachzudenken. Haben seine ungehemmten judenverachtenden Äußerungen unter Umständen nicht nur zur Fundamentierung einer bereits jahrhundertealten Tradition beigetragen, sondern einen für die Entwicklung des christlichen Abendlandes sogar noch bestärkenden Einfluss ausgeübt, was die Verbrechen an den Juden im 20. Jahrhundert möglich machte?“

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