Ganz praktisch Praxis schnuppern

0
1808

TABARZ. Am Schluss war das Lob einhellig: Der Projekttag in der „Klinik am Rennsteig“ hat was gebracht. „Wir konnten ganz praktisch erleben und überprüfen , was wir in der Ausbildung gelehrt bekommen“, befand Lisa Hocke.

Sie wie weitere 33 angehende Alten- sowie Gesundheits- und Krankenpfleger im zweiten Lehrjahr waren dafür extra aus Bad Salzungen gekommen. Sie lernen an der dortigen Medizinischen Akademie, die zur IB-Gesellschaft für interdisziplinäre Studien mbH (GIS) mit Sitz in Stuttgart gehört.

Kurzfristig war die Tabarzer Mediclin-Einrichtung eingesprungen. Chefärztin Dr. Sabine Victor und ihr Team stellten dennoch einen umfangreichen Plan auf. Den lobte ausdrücklich Sabine Gentsch, die sich hilfesuchend an die Klinik gewandt hatte. Während einer Praktikumswoche mit Schwerpunkt „Diabetes“ sollte ein Ausflug in den Arbeitsalltag ganz praktische Erfahrungen vermitteln.

Auf freundliche Willkommens-Grüße für die Schülerinnen und Schüler folgte also ein Klinikrundgang. Dann gab es einen Vortrag von Oberarzt Dr. Frank Möller über Rehabilitationsmethoden und –möglichkeiten bei Diabetes und anschließend verschiedene Workshops.
Offensichtlich war das Programm so dicht gepackt, dass die meisten die Mittagspause vergaßen. Das habe wiederum, wie die Chefärztin zur Abschlussrunde berichtete, Küchenchef Ingolf Topf ein wenig betrübt: Nur sieben der 34 labten sich nämlich an den Resultaten seiner Kochkünste …

Ein wenig schuldbewusst schauten die Südthüringer deshalb dann auch aus. Aber bald darauf drehte sich in der Diskussion wieder alles um die fachlichen Angebote: Liebend gern hätten die Wissbegierigen alle Workshops unter Beteiligung von Patienten absolviert, „so wie bei der Diabetes-Beratung“, regte Isabell Ernst an. Gern hätte man das ermöglicht, entgegnete ihr Chefärztin Victor: Aber bei 34 Kursanten kommt man eben schnell an Kapazitätsgrenzen.

Da aber beide Seiten recht deutlich den Wunsch nach weiterer Kooperation äußerten, wird beim nächsten Mal diesem Aspekt Rechnung getragen. Einmal dabei, rührte die Chefärztin auch gleich die Werbetrommel und pries die Arbeit in der Reha für die angehenden Krankenpfleger an. Gearbeitet werde – wie in der Branche allgemein üblich – im Drei-Schicht-System.

„Wenn sie aber gern und viel Kontakt mit Menschen haben wollen, sind Sie bei uns genau richtig. Hier klopfen unsere Patienten ständig an die Türen der Schwestern.“

Zudem gehöre mit dem „Rennsteigblick“ seit Jahren nun schon eine geschätzte und beliebte Seniorenpflegeeinrichtung zum Komplex: „Dort bieten wir Altenpflegern nicht nur Praktika, sondern auch Arbeitsplätze“, umwarb Dr. Victor den Berufsnachwuchs.

Der wird – wenn er gut ausgebildet und hoch motiviert ist – händeringend gesucht, Trotzdem reicht die Zahl der Absolventen nicht, den Bedarf zu decken. Pflegeberufe sind eben weder besonders gut bezahlt, noch gesellschaftlich anerkannt. Das beklagten dann alle in der Runde. Sie wünschten sich mehr öffentliche Aufmerksamkeit. „Wir sollten sicherlich auch viel mehr darüber berichten, wie vielfältig die Aufgaben sind und welch großes Wissen dafür nötig ist“, meinte deshalb selbstkritisch Sabine Gentsch.

„Man muss aber auch dafür geboren sein“, warf Isabell Ernst ein. Sie wuchs in einer Familie auf, die einen Großvater pflegte. Andere aus der Runde pflichteten ihr bei: „Eine soziale Ader zu haben, schadet auf keinem Fall“, meinte Felix Iffert. Er hatte sich in der Schulzeit bei einem Praktikum für den Altenpfleger entschieden.

Die Mittdreißigerin Sandra Kettner wechselte dafür sogar den Beruf. Die ausgebildete Bürokauffrau schult nun um. Sie sammelte schon Erfahrungen in einem häuslichen Pflegedienst. Das Studium schloss sie an, weil sie als Ungelernte im Grunde die gleiche Arbeit zu leisten hatte wie die anderen, aber noch schlechter bezahlt wurde. „Außerdem will ich einfach mehr wissen – und deshalb finde ich auch solche Projekttage sehr anschaulich und gut“, lobte sie noch einmal die Initiative der Tabarzer.