Kategorische Absage an wirtschaftliche Nutzung

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Der Truppenübungsplatz Ohrdruf muss als Naturrefugium gesichert werden. Diese Forderung erhebt der Naturschutzbeirat des Landkreises Gotha. Das Gremium lehnt deshalb die vorgeschlagenen Wind- oder Solarparks sowie anderen industriellen Verwendungen des Areals kategorisch ab, über die in diesen Tagen mehrfach öffentlich spekuliert wurde. Als Begründung führen die Naturschützer vor allem die erhaltenswerte Artenvielfalt in Flora und Fauna ins Feld, deren Bestand sie bei wirtschaftlicher Nutzung aufs Äußerste bedroht sehen.

Windkraftanlagen stellten wegen der Schlagopfer eine ernstzunehmende Gefahr für geschützte Vögel und Fledermäuse dar und hätten in einem Natura 2000-Gebiet keinen Platz. Großflächige Photovoltaikanlagen störten empfindlich das Landschaftsbild, veränderten das Kleinklima und die Lebensraumqualitäten geschützter Artengemeinschaften, urteilt die Expertenrunde.

Für den – jüngsten Meldungen zufolge unwahrscheinlichen – Fall, dass sich die Bundeswehr komplett aus dem Areal zurückziehe, fordert der Naturschutzbeirat stattdessen die Aufnahme der Flächen in die Liegenschaften des Nationalen Naturerbes und die Unterschutzstellung als Naturschutzgebiet. Dann stünde für die Fläche eine vertretbare zivile Alternative als komplexes Weidegebiet mit Möglichkeiten der Naturbeobachtung zur Verfügung.

Doppelter Schutzstatus nach EU-Recht

Ihren Standpunkt bekräftigen die Naturschützer mit Verweis auf den derzeitigen Schutzstatus als Flora-Fauna-Habitat-Gebiet „Truppenübungsplatz Ohrdruf – Jonastal“ und als Vogelschutzgebiet „Ohrdrufer Muschelkalkplatte“, die jeweils von der EU-Kommission bestätigt worden sind. Beide Titel unterstreichen nach Ansicht des Naturschutzbeirats die europaweite Bedeutung des Areals.
Vor allem dank der Großflächigkeit des Areals, des Ineinandergreifens verschiedener Biotoptypen, der mehr als 100-jährigen Militärpräsenz und damit des Fehlens einer intensiven landwirtschaftlichen Nutzung unter Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln konnten viele seltene Arten überleben. Dazu zählen zum Beispiel der Schwarzstorch, die Wiesenweihe, der Wespenbussard und der Baumfalke (alles Arten der Roten Liste 2) sowie mindestens sechs Brutpaare des Rotmilans (RL 3).

Das Vogelschutzgebiet „Ohrdrufer Muschelkalkplatte“ beherbergt etwa ein Fünftel des Thüringer Bestandes der Bekassine (RL 1), des Wachtelkönigs (RL 1), der Heidelerche (RL 2), und der Sperbergrasmücke (RL 3) sowie eine bedeutende Anzahl der Brutvorkommen von Raubwürger (RL 1) und Grauammer (RL 3). Kornweihe und Sumpfohreule haben hier ein bedeutendes Durchzugs- bzw. Überwinterungsgebiet.

Nachweise für Wildkatzen und seltene Fledermäuse gefunden

Das komplexe Gebiet ist nicht zuletzt auch für Säugetierarten ein wichtiger Lebensraum. Für die Wildkatze gibt es Reproduktionsnachweise; der Platz ist wichtiges Jagdgebiet der Kleinen Hufeisennase (Fledermausart RL 1), die in den Randbereichen ihre Quartiere hat. Die nach der FFH-Richtlinie geschützten Amphibienarten Kammmolch und Kreuzkröte finden in den zahlreichen Kleingewässern idealen Lebensraum.

Die Beiratsmitglieder sowie alle anderen ehrenamtlichen Naturschützer der Region weisen seit vielen Jahren auf die Einzigartigkeit der Naturausstattung am Truppenübungsplatz Ohrdruf hin.  Eindrucksvoll ist die Arten- und Individuendichte dieses Gebiets, nachzulesen zum Beispiel in der Publikation „Truppenübungsplatz Ohrdruf“, an der die Gebietskenner Dr. Peter Hofmann, Dr. Wolfgang Klug, Ronald Bellstedt und Peter Schwarzmann maßgeblich mitgearbeitet haben.

Stichwort: Naturschutzbeirat

Der Naturschutzbeirat des Landkreises Gotha steht der Unteren Naturschutzbehörde beratend und unterstützend zur Seite. Ihm gehören 24 orts- und sachkundige Bürger sowie Vertreter von Verbänden und Vereinen an. Das Gremium kann Akteneinsicht verlangen, Anträge stellen und bei allen privaten oder öffentlichen Projekten, die einen Bezug zu Naturschutz und Landschaftspflege haben, sich gegenüber der Unteren Naturschutzbehörde äußern. Die Untere Naturschutzbehörde muss die Argumente der Beiräte in ihren Entscheidungen berücksichtigen.