Kirchendonner um Sankt Viti war ein einzigartiges Erlebnis für Gäste und Mitspieler

0
1306

Bach-Stammort Wechmar: Alle guten Dinge sind drei. Drei Tage, drei Stunden und dreimal volles Haus beim Volkschauspiel “Kirchendonner um Sankt Viti”, das ist die Bilanz des Wechmarer Heimatvereins, der mit 62 Schauspielerinnen und Schauspielern plus Sängern und Tänzern fast einhundert Mitwirkende auf die Kirchenbühne von Wechmar brachte, um im September sein Schauspiel zur Geschichte der Wechmarer Kirche in Weltpremiere und Uraufführungen zu präsentieren.

Gäste aus Berlin, Trier, Darmstadt, aus Würzburg und aus ganz Thüringen füllten drei Tage lang die Wechmarer Kirche und unterbrachen immer wieder mit Beifallsstürmen die Schauspielszenen. Seit März 2012 liefen die Proben, zu denen die gebürtige Wechmarerin Antje Körbs immer wieder aus ihren neuen baden-württembergischen Wohnort Abstatt nach Thüringen in die Heimat reiste. Sie ist seit dem Jahre 2000 im Ehrenamt die Regisseurin der nur alle vier Jahre stattfindenden Veit-Bach-Festspiele Wechmar.

Die Besonderheit der Wechmarer ist, dass nur Laien auf die Bühne treten und damit natürlich den Schwierigkeitsgrad der Aufführung erhöhen. Im Vorfeld denkt keiner der Mitwirkenden daran, was passiert, wenn jemand erkrankt, wenn plötzlich die Stimme schwindet oder jemand von der Arbeit nach Hause im Stau steckt bleibt und nicht pünktlich zu Aufführung erscheinen kann. Die Mitwirkenden nahmen deshalb viele persönliche  Einschränkungen auf sich um spielen zu dürfen. Während der Proben musste immer wieder ein Mitwirkender wegen Ausfalls ersetzt werden, Rollen wurden neu geschrieben und neu vergeben werden. Zur Freude aller Mitspieler befindet sich unsere Freundin Magdalene nach schwerer Krankheit auf dem Wege der Besserung und konnte schon einmal heimlich, dem Theaterstück zuschauen.

Fantastische Schauspieler

Die Suche nach den richtigen Schauspielern war am Anfang das größte Wagnis und die Entdeckung von Frank Supplieth sowie Holger Harting für die Hauptrollen als streitender Schultheiß und zänkischer Pfarrer ließen dem Drehbuchautor das Herz höher schlagen. Holger, der noch nie auf der Theaterbühne stand, fand in dem jugendlichen Allroundtalent Frank einen inspirierenden Partner. Toll zu erleben waren auch die klaren Stimmen von Aniela Liebezeit als Schultheißenfrau Eva und von Julia Hartung als deren Tochter Dorothea, die stets vor ihrem Liebhaber William (Johannes Steuding) flüchtete und die derben Scherze seiner Schwester Agnes (Heidi Harting) ertragen musste.

Jede Szene des schnell wechselnden Spiels hatte ihren Reiz, egal ob die vier Waschweiber die Nachbarn aufklärten, der Herzog (Wolfgang Herz) mit Schwiegermutter und Hofstaat einzog, die Frau Traberin ihre Kinder zu Kunststücken bewegte, die edlen fünf Damen des Dorfes sich gegenseitig anstachelten und eine davon nie etwas wusste, die Handwerker um die Gunst von Schultheiß und Pfarrer warben , sich die edlen Künstler aus aller Welt im Dorfe verwirklichen wollten oder man gefesselt den wunderschönen Texten der Seidenwirkerin (Grit Schack) folgen durfte. Das nur in Wechmar ein echter Nachkomme Johann Sebastian Bachs auf der Bühne zu erleben ist, zeigte Elmar von Kolson, in einer Paraderolle als Superintendent Bach aus Ohrdruf. Nicht zu vergessen, der Freiherr von Plessen, den der zwölfjährige David Mäder in künstlerischer und humorvoller Meisterschaft auf der Bühne platzierte.

Musik und Tanz als Quelle der schauspielerischen Inspiration

Es waren nicht nur die Texte, gewürzt mit kleinen Seitenhieben und humoristischen Spitzfindigkeiten, die bei den Besuchern immer wieder Lachsalven und Nachdenklichkeit provozierten, es waren vor allem die musikalischen und tänzerischen Einlagen, die dem Volksschauspiel eine abwechslungsreiche Farbigkeit gaben.

Die Liebeslieder von Aniela oder Julia im Musical-Stil gingen tief zu Herzen und ließen der Wirtin Irona den stimmlichen Freiraum, ihre Einblicke und Gesangskünste voll zur Geltung zu bringen. Gemeinsam mit Ines stimmte sie das alte Liebeslied „Dat du mein Levsten bist“ an, um damit ein mitsummen in der ganzen Kirche zu versprühen.

Ihr Debüt erlebte die kleine Violinistin Gioia Thiem mit ihren Geigenvariationen und die seit dem Jahre 2000 erprobte Natalie Kreuch ließ ihre acht Melodie-Glocken erklingen, denn sie durfte Nicoletta, die kleine Glöcknerin sein.

Natürlich waren auch die Wechmarer Mühlenpfeiffer dabei, die mit Dudelsack und Krumhorn zu hessischen, russischen, schottischen und deutschen Weisen einstimmten. Seit den Festspielen 2008 hat sich diese Gruppe unter Leitung von Romeo und Harro toll entwickelt. Der Lehrmeister der Pfeiffer Friedhelm Capelle ließ die Ratzmann-Orgel erklingen, so als wäre sie ein neues Instrument.

Drei Lieder vom Chor des Heimatvereins mit der Gesangsvereinigung Seebergen, ein stimmungsvoller Hörnerklang der Jagdhornbläsern vom Röhnberg, die Premiere des Alphorn-Spiels von Georg Kehr, die flotten Tänze der Trachtentanzgruppe und die erfrischend modernen und ganz traditionellen Reigen der Studnitz-Tänzer gaben dem Volksschauspiel den unverwechselbaren Gesamteindruck.

Die stillen Helfer im Hintergrund

Wenn einhundert Menschen sich stimmlich, tänzerisch und schauspielerisch gestaltend verwirklichen dürfen, dann bedarf es einer Menge stiller Helfer, die nie im Rampenlicht stehen. Oft werden sie vergessen, nur nicht beim Wechmarer Heimatverein. Es war zuerst der Gemeindekirchenrat Wechmar mit Pastorin Stötzner die Gastfreundschaft und Theaterfreiheit in der Sankt Viti Kirche gewährten.

In erster Linie sind es aber all die ungenannten Bühnenbauer, die uns unter Rolands Anleitung  eine herrliche Heimstatt auf- und abbauten. Es war Erich, der aus dem hessischen seine ganze Ton- und Bühnentechnik heranschleppte, und oft ganz allein werkelte, damit alles gelingen konnte. Die gärtnerischen Kompositionen von Anita machten die Spielfläche zur einladenden Blumenwiese. Doreen und Silke Diersch mit ihren fleißigen Mädels entzauberten uns durch Maske und Frisur, eigene Kostüme des Vereins und der Kostümverleih Erfurt steigerten die Farbenprächtigkeit des Bühnenbildes, welches vom Karnevalsverein „Frohsinn“ 1890 Oberursel ausgeliehen werden konnte. Nicht vergessen werden sollen die fleißigen Kartenverkäufer, die Frauen, die die Kirche säuberten und die Toiletten reine hielten. Besonders denen, die ungenannt bleiben wollen oder die denken, dass sie vergessen worden sind ein herzliches Dankeschön, ohne euch, wären wir nicht so erfolgreich gewesen.

Besonderer Dank gilt dem Thüringer Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Herrn Christoph Matschie, dem Landkreis Gotha, der Original Oettinger Brauerei GmbH und den vielen Sponsoren des Vereins die die drei Aufführungen finanziell unterstützten.

Und wie ist das Fazit?

„Es ist immer wieder schön mit Gleichgesinnten auf der Bühne zu stehen, zu erleben, wie durch ungeahnte Talente ein Drehbuch Lebendigkeit erringt, um nach zwölf Jahren auch sagen zu dürfen – danke für eine tolle Zeit, denn die Bachgeschichte ist abgespielt und keiner weiß, ob es in vier Jahren eine Neuauflage geben kann. Der Gast und die Zeit werden es entscheiden“ so ein immer optimistischer Ideengeber und Autor Knut Kreuch am Sonntagabend nach drei sehr gelungenen Veranstaltungen umringt von Freunden beim Abbau des großen Bühnenbildes.