„Mein Basketball wird mit dem Kopf gespielt.“

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Seit Mittwoch haben die Oettinger Rockets Gotha einen neuen Head Coach. Am Donnerstag, nach dem Abendtraining in der Blauen Hölle, fand Neno Ašćerić Zeit für ein Gespräch.

Herzlich willkommen in Gotha, Neno! Eine wichtige Frage vorweg: Wie wird dein Familienname korrekt ausgesprochen?

(lacht) „Aschtscheritsch“ [aʃʧɛʀɪʧ]

Du hast jetzt drei Trainingseinheiten mit den Oettinger Rockets Gotha absolviert. Wie ist der erste Eindruck von deiner neuen Mannschaft?

Es ist natürlich noch zu früh, um jetzt schon viel darüber sagen zu können. Ich habe jedoch gesehen, dass der Mannschaft bewusst ist, dass sie bisher unter ihren Möglichkeiten gespielt hat. Ich habe den Eindruck, die Mannschaft WILL arbeiten und besser werden.

Worauf lag der Fokus in den ersten Trainingseinheiten?

Für mich war wichtig zu sehen, ob die Mannschaft das Potenzial hat, sich zu entwickeln. Ob sie den Willen hat, zu arbeiten. Ob die Spieler die Bereitschaft haben, sich für das Team zu opfern. Außerdem gibt es einige „Gewohnheiten“, die wir ändern müssen.

­Zum Beispiel?

Nun, die Defense zum Beispiel. Deren Intensität gefällt mir nicht. Das müssen wir verbessern, einige neue Prinzipien einführen. In der Offense ebenfalls, da gibt es kleine Details – Blöcke besser nutzen, die Bewegung ohne Ball usw. – an denen wir arbeiten wollen.

Zuletzt haben den Rockets oft nur Nuancen zum Sieg gefehlt. Welche Stellschrauben willst du zuerst justieren?

Wenn ich die Spieler erst mal besser kennengelernt habe, weiß ich auch genauer, was die Mannschaft von mir braucht; was ich ihr geben muss. Prinzipiell ist es ein Gesamtpaket. Die Defense muss besser werden, damit wir offensiv leichter und schneller punkten können. An unserer Transition Offense müssen wir arbeiten. Es sind viele kleine Dinge, und die brauchen viel Zeit. Aber wenn das Team bereit ist, gut mitzuarbeiten, werden wir sicher Fortschritte machen. Und dann schauen wir mal, wie weit wir kommen…

Was reizt dich an der neuen Aufgabe hier in Gotha; was ist dein Antrieb?

Ich habe gesehen, dass in Gotha viel Potenzial steckt, auf lange Frist einen stabilen Proficlub aufzubauen. Mich reizt es, bei einem ambitionierten Club zu arbeiten. Gotha hat hohe Ziele, auch wenn’s momentan noch nicht ganz nach Wunsch läuft. Und es reizt mich, gerade in Deutschland zu arbeiten, wo Basketball derzeit einen Aufwärtstrend erlebt. Ich glaube, dass Deutschland in einigen Jahren ganz weit oben stehen wird.

Du bist ja Trainer der Österreichischen Nationalmannschaft. Funktioniert es, beide Jobs unter einen Hut zu bekommen?

Völlig problemlos. Das ist nur eine Frage von guter Organisation. Es funktioniert ja schon seit fünf Jahren, in denen ich parallel Club- und Nationaltrainer war. Auch der Österreichische Verband ist sehr zufrieden mit mir und will mich gern behalten. Außerdem habe ich dort hauptsächlich im Sommer zu tun, sodass es keine Kollisionen geben kann.

Hattest du schon mal von den Oettinger Rockets Gotha gehört, bevor du hierherkamst?

Nein, habe ich nicht. Ich habe bisher hauptsächlich die Bundesliga und die ProA verfolgt.

Nun ja, in der ProA sind wir ja gerade erst angekommen… Woran können die Rockets-Fans deine Handschrift als Trainer erkennen? Was ist deine Basketball-Philosophie?

Ich möchte, dass meine Teams mit viel Energie, mit hoher Intensität spielen. Aus einer starken Defense heraus schnellen Fastbreak-Basketball zu forcieren, das ist mein Ziel. Schnell spielen heißt jedoch nicht, möglichst schnell auf den Korb zu werfen. Sondern so schnell wie möglich den besten Wurf zu finden! Ich mag kreativen Basketball – und ich möchte meinen Spielern beibringen, Situationen zu lesen und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Auf keinen Fall sollen sie wie „Robots“ spielen. Mein Basketball wird „mit dem Kopf“ gespielt.

Arbeitest du lieber allein, oder brauchst du einen Assistant Coach?

Ich arbeite gern mit einem Assistenztrainer und werde mir einen suchen.

Eine Frage noch zu deiner aktiven Zeit: Du hast als Small Forward lange Jahre für die österreichische Nationalmannschaft und in etlichen internationalen Clubs gespielt. Was waren deine Stärken, was für ein Spielertyp warst du?

Ich war immer schon ein Leader, ein Anführer. Nachdem ich in Österreich fünfmal Meister und dreimal Cupsieger geworden war, bin ich nach Frankreich gegangen und habe acht Jahre in der ersten Liga auf Top-Level gespielt. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich überall anerkannt war – weil ich sehr professionell und immer mit dem Herzen dabei war. Ich habe nie aufgegeben, immer gekämpft bis zur letzten Sekunde, egal wie der Spielstand war. Oft habe ich auch in der „Money Time“ spielentscheidende Körbe gemacht. Und ich konnte andere Spieler mitziehen, war ein Winnertyp.

Gab’s in deiner Karriere einen Moment, an den du besonders gern zurückdenkst?

Natürlich gibt es da sehr viele interessante Momente – immerhin war ich bis zu meinem 41. Lebensjahr als Spieler aktiv. An eine Situation erinnere ich mich aber besonders gern: Ich habe 2001 mit LeMans gegen Paris St. Germain gespielt, es war das letzte Spiel der Hauptrunde. Für uns ging’s um die Euroleague-Qualifikation, für Paris um den Playoff-Einzug. Ich habe in der letzten Sekunde einen Dreier getroffen und das Spiel für LeMans entschieden. Letztendlich war der Club aber noch nicht bereit für die Euroleague und verzichtete auf das Startrecht. Zwei Jahre später, an gleicher Stelle: Ich spielte mittlerweile für Toulon, und es ging gegen meinen Ex-Club. Die Vorzeichen waren ähnlich – LeMans wollte jedoch dieses Mal unbedingt in die Euroleague. Es war eine Super-Atmosphäre, die Halle war rappelvoll, 6000 Zuschauer! In den letzten Sekunden führt LeMans mit 62:60, ich bekomme an der Dreierlinie den Ball. Finte, Dribbling, Schuss – ich treffe und wir gewinnen! Das Euroleague-Aus für LeMans. Die Zuschauer waren schockiert – doch nach kurzer Zeit brandete tosender Applaus für mich auf, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. Die Fans hatten mich die ganzen Jahre immer gemocht und zollten mir auch in diesem Moment großen Respekt. Das hat mich sehr bewegt.

Das ist allerdings eine sehr schöne Erinnerung. Lass uns zum Abschluss noch einen Blick nach vorn werfen: Hattest du schon Gelegenheit, dich mit dem nächsten Gegner der Rockets zu beschäftigen?

Ja, ich habe mir einige Videos der Spiele von Rasta Vechta angesehen. Das ist eine sehr gute Mannschaft, vor allem sehr heimstark. In Vechta müssen wir Charakter zeigen und mit viel Selbstvertrauen agieren, nur dann haben wir eine Chance, dieses schwere Spiel zu gewinnen.

Neno Ašćerić, wir bedanken uns für’s Gespräch und wünschen viel Erfolg!