Migration und Integration in Geschichte und Gegenwart

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Jena (24.10.16) Der amerikanische Historiker und Rechtswissenschaftler David Abraham von der University of Miami ist im Wintersemester 2016/17 Gastprofessor am „Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts“ der Friedrich-Schiller-Universität. Am Mittwoch (26. Oktober) hält er um 18.15 Uhr einen öffentlichen Vortrag zum Thema „Migration, Integration, and the Welfare State. The Cesura of 2015 “ in den Rosensälen (Fürstengraben 27).
Geboren wurde David Abraham 1946 als Staatenloser in Antwerpen: Seine Eltern stammten aus der Tschechoslowakei, hatten den Holocaust überlebt, sich nach ihrer Befreiung wiedergefunden und geheiratet. Nach gemeinsamer Flucht quer durch das besetzte Deutschland lebten sie zunächst in Belgien, bevor sie 1949 mit ihrem Sohn in die USA ausreisen und sich in New York niederlassen konnten. Mitte der fünfziger Jahre erhielt Abraham die amerikanische Staatsbürgerschaft. Während seines Studiums der Geschichts- und Sozialwissenschaften an der University of Chicago auf dem Höhepunkt der Studentenbewegung zählten deutsch-jüdische Emigranten zu seinen wichtigsten akademischen Lehrern. Als Doktorand wurde er in den siebziger Jahren vor allem von der neomarxistischen Geschichtstheorie geprägt.

Die Umstände des Scheiterns der Demokratie

1981 erschien Abrahams Dissertation „The Collapse of the Weimar Republic: Political Economy and Crisis“, in der er die Umstände des Scheiterns der Demokratie untersuchte. In einer marxistischen Wendung der berühmten Borchardt-These argumentierte Abraham, dass der unausgereifte und kostenintensive Weimarer Sozialstaat unweigerlich zum Angriffsziel der vorwiegend demokratiefeindlichen Eliten aus Politik und Wirtschaft werden musste. Vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise hätten diese zersplitterten Kräfte auf ein Bündnis mit der auf die Massen orientierten NSDAP gesetzt und damit die Zerstörung der Republik willentlich in Kauf genommen. Abrahams Buch entfachte eine erbitterte Kontroverse, in der Kritiker ihm eine ideologisch begründete Missachtung wissenschaftlicher Standards unterstellten – Vorwürfe, die seine weitere Karriere als Historiker vereitelten, auch wenn seine Thesen über das prekäre Verhältnis von Demokratie und Kapitalismus bis heute Beachtung und Anerkennung erfahren.
In Reaktion auf die Debatte um sein Buch erwarb Abraham 1989 einen zusätzlichen juristischen Doktortitel an der University of Pennsylvania und arbeitete zunächst am Bundesberufungsgericht der Vereinigten Staaten. Seit 1991 lehrt er an der Law School der University of Miami. Seine Forschungen sind an der Schnittstelle von Geschichts- und Rechtswissenschaft angesiedelt: In zahlreichen Artikeln für juristische und rechtshistorische Fachzeitschriften hat er sich mit dem Wandel des Einwanderungs- und Staatsbürgerschaftsrechts in der neoliberalen Ära sowie mit Debatten über gesellschaftliche Solidarität und Integration in Deutschland, Israel und den USA auseinandergesetzt. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 legte er eine Publikation über „The Bush Regime of Human Rights and Carl Schmitt“ vor, in der er die fragilen Schutzfunktionen von Staatsbürgerschaft in einer Ära permanenter Ausnahmezustände untersucht. Zahlreiche Fellowships führten Abraham an renommierte Forschungseinrichtungen in den USA, Großbritannien, Australien, Israel, Frankreich und mehrfach auch nach Deutschland.