Praxissemester ist optimale Vorbereitung auf Lehrerberuf

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Mit dem von ihr herausgegebenen Band „Ein Praxissemester in der Lehrerbildung“ nimmt PD Dr. Karin Kleinespel gemeinsam mit 28 weiteren Bildungsforschern Konzepte, Befunde und Entwicklungsperspektiven anhand des deutschlandweit einzigartigen Jenaer Modells in den Blick.

Das Besondere: In einer Zeit, in der viele Bundesländer Praxissemester in der Lehrerbildung planen oder einführen, gehört dieses für angehende Lehrerinnen und Lehrer, die an der Universität Jena studieren, seit mehreren Jahren bereits zum Standard. Auf zehn Zyklen des Praxissemesters kann das Jenaer Modell zurückblicken, betonen die geschäftsführende Direktorin des Zentrums für Lehrerbildung und Bildungsforschung (ZLB) der Uni Jena  Prof. Dr. Iris Winkler, die den Lehrstuhl für Fachdidaktik Deutsch innehat, und Karin Kleinespel, die wissenschaftliche Geschäftsführerin des  ZLB, nicht ohne Stolz. Das zudem explizit durch Forschung flankierte Praxissemester des Jenaer Modells nämlich nehme eine Vorreiterrolle in der Lehrerbildung Deutschlands ein.
„Nicht erst im Referendariat, sondern bereits im fünften oder sechsten Semester des Studiums absolvieren alle Studierenden ein Praxissemester, das integraler Bestandteil des wissenschaftlichen Studiums ist“, insistiert Kleinespel. „Der frühe Zeitpunkt ist wichtig, damit die Erfahrungen des Praxissemesters in das weitere Studium eingehen können“, sagt Winkler.

Dass in jedem Halbjahr Studierende an Thüringer Schulen ihr Praxissemester absolvieren könnten, sei nicht zuletzt auch seitens der Schulen „eine tolle Leistung“, heben beide Expertinnen hervor. Auf diese Weise konnten bis jetzt rund 2.400 Jenaer Lehramtsstudierende in den Genuss des für ihre weitere berufliche Laufbahn so wichtigen Praxissemesters kommen. Um deren Bemühungen zu würdigen, werden in jedem Jahr drei Schulen ausgezeichnet. 2014 sind das die Staatliche Regelschule unter den Dornburger Schlössern, die Debschwitzer Schule in Gera und die Freie Ganztagsschule Milda.
Seit 2009 kommen jährlich 500 Studierende auf zwei Halbjahre verteilt an die Schulen. Dort sollen sie sich auf Fragen aus allen Feldern der Anforderungsbereiche der Lehrertätigkeit vorbereiten. Selbstredend beschränkt sich das Praktikum nicht auf eine Hospitanz. Vielmehr unterstützen die Studierenden die Lehrkräfte bei der Gestaltung des Unterrichts – und sie unterrichten in einem Umfang von 20 Stunden pro Fach selbst. „Die Studierenden sollen in alle Belange des Schullebens einbezogen werden“, hebt Karin Kleinespel hervor. Dazu gehören auch Elternabende oder Klassenfahrten.

Vor dem Hintergrund eines immer wieder aufkommenden Diskurses um die Lebenswirklichkeit der Lehrerausbildung, ja, darum ob das Gros der Lehrer denn überhaupt geeignet sei für ihren verantwortungsvollen Beruf, kommt dem Jenaer Modell eine herausragende Bedeutung zu. Studierende der Lehrämter für Regelschule und Gymnasium erhalten so frühzeitig profunde Einblicke in die Berufspraxis. Das heißt auch: Studierende, die ihren Berufswunsch im Anschluss an das Praxissemester ändern möchten, können problemlos bundesweit in ein Bachelorstudium wechseln.

Die neue Publikation habe den Charakter eines Zwischenergebnisses, erklärt Dr. Kleinespel. „Die Studierenden fühlen sich durch die plötzliche Konfrontation mit den Herausforderungen des Berufsalltags zwar hoch belastet, aber sie empfinden insgesamt hohe Zufriedenheit und Ansporn“, so das Resümee. Für die Zukunft gelte es, das Jenaer Erfolgsmodell noch weiter zu entwickeln – entsprechend neuer gesellschaftlicher Anforderungen, wie sie sich aus der Inklusion behinderter Kinder, der Internationalität und der Interdisziplinarität ergeben.