Rede der Beigeordneten zur Behandlung und Entscheidung des Einwohnerantrages gemäß § 16 ThürKO

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Bezogen auf den Antrag möchte ich Ihnen nun die Gründe darlegen, warum die Stadtverwaltung dem Stadtrat empfiehlt, die mit dem Beschluss B 091/15 begonnene integrierte Schulnetzplanung mit diesem Beschluss und mit der Beschlussfassung zum Schulnetzplan am 28.10.2015 fortzusetzen.

 

Hierzu möchte ich zunächst auf einige Aspekte der Schulnetzplanung und der gegenwärtigen Situation an den Regelschulen eingehen.

 

Die Stadt Gotha ist Träger von vier Regelschulen im Stadtgebiet. An diesen Schulen werden 1.352 Plätze vorgehalten. Es ist grundsätzlich festzustellen, dass die vorgehaltene Kapazität im Regelschulbereich absehbar nicht ausgelastet wird.

 

 

Im Planungszeitraum des Schulnetzplanes ab dem Schuljahr 2016/2017 bis 2020/2021 werden jährlich zwischen 142 und 155 Schüler in der Klassenstufe 5 an den Regelschulen erwartet. Damit wird sich die Schülerzahl von jetzt 871 auf 828 im Schuljahr 2020/2021 verringern.

 

Sie sehen in der Beschlussvorlage auf Seite 2 die Klassenbildung zum vor einer Woche begonnenen Schuljahr. Es ist zu erkennen, dass es auch hier über alle Schulstandorte verteilt insgesamt 12 niedrig frequentierte Klassen gibt, das meint Klassen mit weniger als 20 Schülern.

 

Zudem konnten in den Klassen 5 bis 7 in vier Fällen nur eine Klasse gebildet werden, obwohl mindestens die Bildung einer zusätzlichen Parallelklasse an jeder der betreffenden Schulen bezüglich der vorgehaltenen Kapazität möglich gewesen wäre.

 

In den Folgejahren werden für die 5. Klassen der vier Regelschulen folgende Schülerzahlen erwartet:

 

SJ 2016/2017                     143

SJ 2017/2018                     155

SJ 2018/2019                     154

SJ 2019/2020                     142

SJ 2020/2021                     145

 

 

Wie sieht es dann an den Schulen aus?

 

Bei weiterem Fortbestehen von vier Regelschulen und bei gleichmäßiger Verteilung der Schüler auf die bestehenden Schulen, würden maximal 39 Schüler auf jede Schule entfallen. Es würden jeweils 2 Klassen gebildet werden, die dann aber nur 19 bzw. 20 Schüler hätten.

 

Bei nicht gleichmäßiger Verteilung würden die Klassenstärken noch geringer oder es kann ggf. nur eine Klasse im Aufnahmejahrgang gebildet werden.

 

Dauerhaft führt diese Entwicklung zu einer Unterfrequentierung der Schulen in dessen Folge die Schulen, weniger Lehrerwochenstunden zugewiesen bekommen. Somit können Vertretungen schlechter abgesichert oder Differenzierungs- bzw. Wahlpflichtangebote nicht in der möglichen Breite angeboten werden.

 

Bildet man künftig aber nur 3 Regelschulen, so würde es bei gleichmäßiger Verteilung der Schüler maximal 52 Schüler an jeder Schule geben. Es würden dann jeweils 2 Klassen an jeder Schule gebildet werden können, die dann bis 26 Schüler hätten.

 

Bei dauerhafter Belegung mit jährlich bis zu 150 Schülern auf drei Schulen (je Schule 50 Schüler), werden diese Schulen dann etwa 300 Schüler unterrichten.

 

Nach Aussage des Staatlichen Schulamtes Westthüringen, erhalten Schulen dieser Größe nach Berechnung des Planungsprogramms „THVPS“ ausreichend Personal zur Absicherung des Unterrichtes.

 

Das Schulamt sieht weitere schulaufsichtliche Argumente für größere Regelschulen:

  • Die Anzahl von Lehrkräften ist höher. Das heißt im Krankheitsfall einer Lehrkraft kann die Vertretung besser abgesichert werden, da es in der Regel mehrere Fachlehrer für ein Fach gibt.
  • Die Schule erhält eine höhere Schulpauschale, das bedeutet, dass die Schulleitung mehr Abminderungsstunden für die Leitungstätigkeit erhält und dadurch beispielsweise mehr außerunterrichtliche Angebote für Schüler machen könnte.
  • An der Regelschule „Friedrich Myconius“ wird auf Grund der geringen Schülerzahl das Fach Evangelische Religion jahrgangsstufenübergreifend, mit in der Summe von zwei Wochenstunden, unterrichtet. Bei einer größeren Schule kann dieses Fach mehr Stunden belegen.
  • Bei größeren Schulen ist es in der Regel nicht erforderlich, eine solch hohe Anzahl von Lehrkräften, wie zum kommenden Schuljahr an die Regelschule „Friedrich Myconius“ abzuordnen, da diese Schulen über mehr Stammpersonal verfügen.

 

Welche langfristige Schülerzahlentwicklung wird erwartet?

 

Auch langfristig bis 2025 wird kein signifikanter Anstieg der Schülerzahlen erwartet. Somit wird sich die Situation für alle vier Regelschulen nicht wesentlich ändern. Die beschriebenen Probleme hinsichtlich der Absicherung des Unterrichtes werden weiterhin bestehen.

 

Für die Stadt Gotha stellt sich damit die Frage, ob sie dieser Entwicklung entgegenwirkt oder diese Entwicklung weiter hinnimmt. Angesichts der erwarteten Schülerzahlen und der Situation der Regelschulen kann und sollte eine Gothaer Regelschule aufgehoben werden.

 

 

Wie kam es nun zu dem Ansatz, gerade die Staatliche Regelschule „Friedrich Myconius“, aufheben zu wollen?

 

Einerseits kamen für die Stadt Gotha keine Regelschulen zur Aufhebung in Frage, die an einem Verbundstandort mit einer Grundschule bestehen. Das sind die Staatliche Regelschule „Gotha Oststadt“ und Staatliche Regelschule „Andreas Reyher“.

Die Staatliche Regelschule „Conrad Ekhof“ kam als größter Regelschulstandort und mit den bestehenden Besonderheiten der Schüler (80 Schüler mit Migrationshintergrund, hoher Anteil von Schülern mit Entwicklungsbesonderheiten) nicht in Frage.

 

Andererseits wurde unabhängig zur Feststellung des Problembereiches bei den Regelschulen in der Stadt Gotha, die Diskussion um die Erweiterung des Gymnasiums Ernestinum seitens des Landkreises geführt. Die Erweiterung des Gymnasiums am Standort der Myconius-Schule stellte sowohl für den Landkreis, wie auch für die Stadt einen integrierten Lösungsansatz mit beiderseitigen Synergien dar.

 

Im Hinblick auf konkrete Entwicklungschancen für das Gothaer Grundschulnetz sowie für den Schulstandort der Myconius-Schule beauftragte der Gothaer Stadtrat mit dem Beschluss B 091/15 „Integrierte Schulnetzplanung“ den Oberbürgermeister, Gespräche hierzu mit dem Landkreis Gotha aufzunehmen.

 

Neben dem allgemeinen Anspruch der Entwicklung eines bedarfsgerechten Schulnetzes setzt der Prozess der integrierten Schulnetzplanung folgende Ziele:

 

  • Schaffung verbesserter Rahmenbedingungen für die Hansen-Grundschule als Maßnahme zur Nachfrageerhöhung
  • bessere Auslastung der Regelschulstandorte und dauerhafte Sicherung mindestens einer 2-Zügikeit in allen Klassenstufen, durch Aufhebung der Staatlichen Regelschule „Friedrich Myconius“
  • Erschließung von Optimierungspotenzialen im Rahmen integrierter Planungsprozesse und Maßnahmen und Fokussierung der zur Verfügung stehenden Mittel auf die künftig bestehenden Schulstandorte.

 

Die Gespräche für den Regelschulbereich fanden vor dem konkreten Hintergrund der Aufhebung der Regelschule „Friedrich Myconius“ und der Nachnutzung des Gebäudes durch die gymnasiale Oberstufe des Gymnasiums Ernestinum sowie der Kreisvolkshochschule statt.

 

Im Ergebnis wird der Landkreis Gotha inhaltlich und zeitlich abgestimmt eine Fortschreibung des Schulnetzes für den gymnasialen Bereich vornehmen. Diese Fortschreibung sieht die Erweiterung des Gymnasiums Ernestinum am Standort der jetzigen Regelschule „Friedrich Myconius“ als Schulteil „Myconius-Schule“ vor. Ebenso soll dort die Kreisvolkshochschule eingerichtet werden.

 

Gemeinsam aus den Schwerpunkten der Schulnetzplanung für die Stadt Gotha und dem Prozess der integrierten Schulnetzplanung mit dem Landkreis Gotha, empfiehlt die Stadtverwaltung dem Gothaer Stadtrat mit dem zu beschließenden Schulnetzplan die Aufhebung der Regelschule „Friedrich Myconius“ zum 31.07.2016, also zum Ende des begonnenen Schuljahres und die Übergabe des Gebäudes und Grundstückes an den Landkreis Gotha zum 01.08.2016.

 

Für die Stadt Gotha ergeben sich daraus eine bessere Auslastung der anderen Regelschulstandorte und dort langfristig jeweils eine stabile 2-Zügigkeit.

Zum Anderen werden die Chancen der integrierten Schulnetzplanung mit einer konkreten und langfristigen Nutzung des Gebäudes der Myconius-Schule genutzt.

 

Im Folgenden möchte ich nun auf die Punkte der Antragsteller des Einwohnerantrages eingehen:

 

Längerer Schulweg für die Schüler aus den umliegenden Dörfern und Schüler, die am Stadtrand wohnen

Die Schulwege für die Schüler werden sich verändern. Ob diese tatsächlich länger werden, hängt maßgeblich vom Schulstandort ab, der erreicht werden soll.

 

Die Anbindung von öffentlichen Verkehrsmitteln an die entsprechenden Regelschulen innerstädtisch und auch für angrenzende Gemeinden ist gegeben (Linienplan mit eingezeichneten Regelschulstandorten in der Anlage zur Beschlussvorlage).

 

So sind

  • die Staatliche Regelschule „Conrad Ekhof“ Gotha, Eschleber Str. 13 mit Stadtbuslinien A und C,
  • Staatliche Regelschule „Andreas Reyher“ Gotha, Mozartstr. 17 mit den Stadtbuslinien A; B; C und E sowie Thüringer Wald- und Straßenbahn und
  • die Staatliche Regelschule „Oststadt Gotha“ Gotha, Bufleber Str. 13 mit den Stadtbuslinien B; E und F

erreichbar.

 

Es wird eingeschätzt, dass im Regelfall ein Schüler aus Gotha in weniger als 45 Minuten, das ist die maximal empfohlene Zeit für den einfachen Schulweg, einen der drei verbleibenden Regelschulstandorte erreichen wird. Damit werden die gemeinsamen Empfehlungen der kommunalen Spitzenverbände und des Thüringer Kultusministeriums zur Schulnetzplanung an allgemein bildenden Schulen eingehalten.

 

Das Angebot der Ganztagsschule entfällt

Die Angebote im Rahmen von Ganztagsschule entfallen nicht.

 

Auch die anderen drei Regelschulen bieten entsprechende Angebote an. Hierzu zählen u. a. individualisierte Förderangebote, Hausaufgabenbetreuung sowie vielfältige Arbeitsgemeinschaften und Projekte zur Freizeitgestaltung.

 

Die Angebote werden teilweise mit Partnern aus dem Sozialraum, aber auch von Lehrern gestaltet. Hinsichtlich des Einsatzes von Lehrpersonal für die Angebote gilt aber auch, dass die Absicherung des Unterrichtes Vorrang hat. Je besser eine Schule personell ausgestattet ist, desto besser können Angebote im Rahmen des Ganztags abgesichert werden.

 

Überfüllung der anderen Regelschulen (auf lange Zeit gesehen könnte ein Platzmangel entstehen) auch auf Grund der zu erwartenden hohen Zahl von Zuwanderern aus anderen Ländern

Die anderen drei Schulstandorte verfügen über eine Kapazität von 1.040 Schulplätzen. Im Planungszeitraum des zu beschließenden Schulnetzplans werden 871 Schüler erwartet. Auch darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass die Schülerzahlen die Marke von 900 nicht überschreiten werden. Somit stehen auch dann noch immer etwa 140 Reserveplätze zur Verfügung, die genutzt werden können, wenn die Schülerzahlen aufgrund veränderter Bedingungen steigen.

 

Ein Teil der vorhandenen Platzreserve findet sich an der Ekhof-Schule in Gotha-West. Dort befinden sich auch Einzelunterkünfte für Asylbewerber, so dass mögliche zusätzliche Bedarfe an Schulplätzen mit sehr kurzen Wegen erreichbar sind und die Kinder in die bestehenden Strukturen aufgenommen werden können.

 

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass der Haupt- und Realschulabschluss in der Stadt Gotha auch an der Kooperativen Gesamtschule „Herzog Ernst“ und an der Evangelischen Regelschule erworben werden kann. Mit den vorgehaltenen Kapazitäten dieser beiden Schulen wird das Angebot im Sekundarbereich I ergänzt

 

Zerreißen eines Schulverbandes, in dem Schüler, Eltern und Lehrer zusammenarbeiten und bestmögliche Ergebnisse erzielen

Hinsichtlich der weiteren Beschulung der Kinder der Regelschule „Friedrich Myconius“ mit Beginn des Schuljahres 2016/2017 gab es Vorgespräche mit allen Leitungen der staatlichen Regelschulen und dem Staatlichen Schulamt Westthüringen.

 

Besondere Aufmerksamkeit gilt den Abgangsklassen für die Schuljahre 2016/2017 und 2017/2018, das sind die Klassen 8 und 9 des aktuellen Schuljahres. Diese sollen im Klassenverband und nach Möglichkeit dem jetzigen Klassenleiter, jeweils mit einer 8. und einer 9. Klasse an die Ekhof- und die Reyher-Regelschule wechseln.

 

Die Kinder der jetzigen Klassenstufe 6 wechseln mit jeweils einer Klasse an die beiden oben genannten Schulen. Die Klassenstufe, in der nur eine Klasse an der Myconius-Schule besteht, kann wahlweise an die Reyher- oder die Ekhof-Schule wechseln. Die künftige Klassenbildung an den Schulen kann durch Hinzunahme von Kindern der beiden Schulen in die bestehenden Klassen der Myconius-Schule oder auch umgekehrt erfolgen.

 

Die Klasse 5 des Schuljahres 2015/2016 der Myconius-Schule wechselt an die Ekhof-Regelschule und wird in die bestehenden Klassen integriert.

 

Die erläuterte Variante orientiert darauf, bestehende soziale Bindungen und Freundschaften der Kinder in einer Klasse durch den Schulwechsel weiterhin zu ermöglichen. Darüber hinaus können die Kinder aber auch im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten an die Oststadt-Schule wechseln.

 

 

Die aufnehmenden Schulen stehen dann natürlich in der Verantwortung neue Pädagogen-Teams unter Nutzung der guten Ressourcen des Lehrpersonals der Myconius-Schule zu bilden und so weiterhin dazu beitragen, dass bestmögliche Ergebnisse erzielt werden.

 

Eventuelle Konfliktentwicklung zwischen Myconiusschülern und den Schülern der anderen Regelschulen

In Einzelfällen kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Schulwechsel für ein Kind problematisch verläuft, andererseits zeigt auch gerade die Erfahrung, dass Kinder und Jugendliche sich sehr schnell in neue Rahmenbedingungen einfinden. Für einige Kinder können geänderte Rahmenbedingungen aber auch neue Chancen darstellen, so dass es auch zur Bewältigung bestehender Konflikte und Schwierigkeiten kommen kann.