ThoBe vor Ort: Wunderliche Gesänge und glückliches Lachen

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Mittlerweile gehört schon viel Mut dazu, am Abend durch Gotha zu einer kulturellen Veranstaltung zu eilen. Der Park wird von Punks belagert, man grillt wild am einstmals wunderbar aussehenden Pavillon, lässt seine Hunde in die Innenstadt scheißen und grölt ansonsten lustig und vergnügt auf dem Marktplatz herum.

Noch mal zur Erinnerung: Es ist erst 18 Uhr und Gotha ist schon ziemlich assihaft am Start. Hier und da sieht man noch eine einsame Verkäuferin die Stadt Richtung Heimat verlassen und die wenigen Touristen sind nach Erfurt geflüchtet oder sitzen lustlos in den zumeist italienischen Gaststätten herum.

Wer dann am Sonntagmorgen durch den Park eilt oder einen Bäcker in der Stadt aufsucht, der sieht das Elend: Müll, Müll und riesige Hundehaufen.

Gab es da nicht einmal einen Strafenkatalog für Gotha-Verschandler? Aber die Beamten des Gothaer Ordnungsamtes sind bestimmt schon betriebsblind und sehen den ganzen Dreck nicht mehr. Man kann das Geld für das klamme Stadtsäckel ja auch viel einfacher mit dem Ausspähen von Parksündern und vor allem mit der Messung von Geschwindigkeiten einnehmen. Letzteres ist solch eine schwierige Arbeit (auf die Straße starren, Zeitung lesen und Karten spielen), dass man nach zwei Stunden abgelöst wird. Keiner der Ordnungshüter(innen) geht doch am Wochenende, und dann noch am Abend, durch die Stadt und ermittelt Dreckspatzen und Schmutzfinken.

Hier sollte der Bürgermeister, der mittlerweile auf riesigen Plakaten die Stadt theoretisch säubert, die Leitung des Ordnungsamtes überprüfen, denn Betriebsblindheit und stures Einhalten des Feierabends macht die Stadt Gotha nicht sauberer.

Zurück zur Kultur: Am vergangenen Sonnabend war die Margarthenkirche sehr gut gefüllt, aber es gab eben keine Predigt. Der Sänger und Schauspieler („Unter uns“) Björn Casapietra stellte eine Auswahl seiner besten Songs vor und nannte sein wunderbrares Konzert: „Romantic Love Songs“. Ach, wie herrlich, wenn jemand noch mit einer ausgebildeten Stimme Liebeslieder singt und sich nicht davon abbringen lässt, dass Radiostationen gerade diese Musiker ignorieren.

Das Konzert war in drei Stränge aufgeteilt. Da gab es die schönsten Lieder aus den fünf Alben, dann die aufregenden, zum verlieben anregenden romantischen Liebeslieder und schließlich die klassischen Melodien. Hier zeigte Casapietra mit „Granada“, „Nesun Dorma“ und dem vom Weihnachtsprogramm herübergeretteten „Ave Maria“ seine ganze Klasse. Die Zugabe „O Solo Mio“ geriet zum Höhepunkt, denn hier „durfte“ das Gothaer Publikum mit einstimmen und sogar manch Liedzeile alleine singen.

Nach ersten holprigen und genuschelten Anläufen steigerte sich der Chor gewaltig und zauberte so dem Künstler ein glückliches Lächeln ins Gesicht. Die Liebeslieder von z.B. Leonard Cohen („Halleluja“) und Nick Cave („Where The Wild Rose Grow“) flogen durch die einmalige Akustik in ungeahnte Höhen, man konnte sich nicht satt hören. All die keltischen, schottischen Volkslieder, die spanischen und italienischen Songs und vor allem das im Duett gesungene „In The Arms Of The Angel“ und der kleine Hit „Battle Of The Roses“ ließen den Alltag vergessen und machten einfach nur glücklich. Neben Björn Casapietra brillierte die Schweizerin Sybille Brinner auf dem Klavier. Sie begleitete perfekt, sang ihre Lieder ebenso und spielte himmlisch und zum verlieben den Meister aller Klassen: Chopin.

Es war ein unvergesslicher Abend voller wunderbarer Töne, der Himmel hing voller Geigen. Über den gefahrvollen Heimweg will ich lieber schweigen.

ThoBe