Waren wir Versuchskaninchen?

0
1153

Jena (ukj/dre). Am Universitätsklinikum Jena (UKJ) tagte am 14. Mai (Dienstag) erstmals eine Gruppe von Experten, die zur strukturierten Aufarbeitung der mutmaßlichen Medikamententests in der DDR am Klinikstandort Jena beitragen soll. Nach aktuellen Medienberichten sollen an über 50 Kliniken in der DDR solche Tests durchgeführt worden sein. Bislang liegen dem UKJ keine Daten zu solchen Tests in Jena vor. Das soll sich nun ändern.

Prof. Dr. Klaus Höffken, Medizinischer Vorstand des Thüringer Universitätsklinikums, hatte die Gruppe ins Leben gerufen. „Natürlich wollen auch wir als Klinikum einen Beitrag zur Aufklärung der Vorgänge in der ehemaligen DDR leisten. Die jüngsten Veröffentlichungen haben dazu nun wichtige Anhaltspunkte geliefert. Diesen Hinweisen wollen wir nun gezielt im Rahmen eines Modellprojektes nachgehen.“

Dabei wird das UKJ eng mit dem externen Medizinhistoriker Rainer Erices (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) zusammen arbeiten. Auch er nahm an der Sitzung teil. Weitere Teilnehmer waren Medizinhistoriker aus Jena, Archivexperten aus Jena und Vertreter der Landesärztekammer Thüringen. Anhand der Vorrecherchen von Rainer Erices vor allem in den Bundesarchiven soll nun anhand einer damaligen Medikamentenprüfung aus dem Zeitraum 1983 bis 1990 modellhaft untersucht werden, ob und in welchem Umfang Patienten in Jena beteiligt waren. „Im Kern geht es dabei speziell um die Frage, ob die damaligen Studien sach- und normgerecht durchgeführt wurden. Denn die Klärung dieser Frage muss einer abschließenden Bewertung vorangehen“, so Prof. Höffken.

Mit dem Projekt solle zudem eine Struktur und eine Arbeitsweise etabliert werden, die auch auf eventuelle weitere Fälle oder Standorte angewendet werden können. Bei Bedarf sollen Ethikexperten, Medizinjuristen und weitere Fachvertreter eingebunden werden. Die Entscheidung, welche der damaligen Studien in der DDR als Ausgangspunkt für die Aufarbeitung in Jena dient, soll in den kommenden Wochen fallen. Auch ein grober Zeit- und Aufgabenplan wird nun erarbeitet. Dabei werde das UKJ auch Archive mit Patientenakten zur wissenschaftlichen Analyse frei geben, soweit geltender Datenschutz, ärztliche Schweigepflicht und Persönlichkeitsrechte dies zulassen.

„Wissenschaftliche Aufarbeitung ohne Scheuklappen und ohne Vorverurteilungen“

Für die Expertengruppe des UKJ ist es zudem wünschenswert, dass die Bemühungen der einzelnen Kliniken standortübergreifend vergleichbar sind. Auch daher begrüßt Prof. Höffken die aktuelle politische Diskussion und betont: „Zu fordern ist ein Forschungsverbund als Voraussetzung für einen regelhaften Austausch der Ergebnisse. Wir in Jena sind dazu bereit.“ Dazu bedarf es allerdings „einer wissenschaftlichen Analyse ohne Scheuklappen und ohne Vorverurteilungen.“

Gleichzeitig stellt er klar: „Für den Medizinstandort Jena wollen wir nicht noch mehr Zeit verstreichen lassen. Wir fangen jetzt an mit der Bearbeitung.“ Vor diesem Hintergrund werden bereits seit Wochen auch Patientenakten gesichert, für die es eigentlich keine Aufbewahrungspflicht mehr gibt. Bereits jetzt belaufen sich die Patientenakten des UKJ alleine im zentralen Archiv des Klinikums auf eine Länge von über 15 Kilometern – bei einer Regalhöhe von sechs Metern.