Artenreiches Grasland wächst besser nach Flutkatastrophen als artenarmes

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In den kommenden 100 Jahren wird die Häufigkeit und Intensität extremer Wetterereignisse zunehmen. In Europa könnte das zu weiteren Hochwasserkatastrophen ähnlich der Jahrhundertflut im Jahr 2013 führen, wobei mit enormen Sachschäden gerechnet werden muss. Die Folgen solch extremer Wetterereignisse kann artenreiches Grasland für erhöhtes Wachstum nutzen.

Das haben Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Universität Leipzig, der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Technischen Universität München in einer aktuellen Untersuchung herausgefunden. Die wichtigste Erkenntnis: Artenreiches Grasland ist in der Lage, zusätzliche Ressourcen, die zum Beispiel durch eine Flut in eine Region geschwemmt werden, in Pflanzenbiomasse umzuwandeln. Allerdings geht auch Artenvielfalt durch Überflutungen verloren. Die Ergebnisse könnten die Fachwelt dazu bewegen, gebräuchliche Theorien zur Variabilität von Ökosystemfunktionen zu überdenken. Die Studie ist bei Nature Communications erschienen (DOI: NCOMMS7092).

Anfang Juni 2013 war Mitteleuropa von einer Jahrhundertflut betroffen, die Schäden von weit über zwölf Milliarden Euro anrichtete. In Deutschland waren von dieser Flut mehrere Flüsse betroffen, unter anderem die Saale in Thüringen und damit auch ein dort angesiedeltes ökologisches Langzeitexperiment – das in der internationalen Fachwelt bekannte „Jena Experiment“ – welches seit 2002 die Auswirkungen des Artensterbens in Mahdwiesen untersucht.

Ein Team von Wissenschaftlern um Nico Eisenhauer, Professor am Forschungszentrum iDiv und der Universität Leipzig sowie Leiter der nun vorgelegten Studie, nutzte das extreme Wetterereignis, um Hypothesen zu untersuchen, die seit über 30 Jahren in der naturwissenschaftlich-ökologischen Literatur kursieren, bisher aber noch nie im Kontext starker Überflutungsereignisse überprüft werden konnten.

Die Forscher fanden heraus, dass „artenreiche Pflanzengemeinschaften zusätzliches Wasser und Nährstoffe effizienter nutzen konnten als artenarme Gemeinschaften und zeigten damit zum ersten Mal ein Szenario, in dem erhöhte Biodiversität mit erhöhter Biomasseproduktion, aber auch reduzierter Stabilität einherging“, erklärt Dr. Alexandra Wright, iDiv-Wissenschaftlerin und Hauptautorin der Studie. Prof. Eisenhauer ergänzt: „Diese Ergebnisse zeigen, dass artenreiche Pflanzengemeinschaften sehr variabel auf extreme Umweltereignisse reagieren können und dass Stabilität nicht unbedingt die wichtigste Eigenschaft sein muss, um die Funktionsweise eines Ökosystems zu bewerten.“

Bislang wurde vermutet, dass in artenreichen Gemeinschaften die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass darin vorkommende Individuen eine Störung tolerieren und damit die Auswirkungen einer solchen Störung abpuffern können. Es stellte sich nun heraus, dass im Gegensatz zu dieser These, vor allem artenreiche Pflanzengemeinschaften „instabil“ waren – das heißt, dass sie in ihrer Biomasseproduktion am stärksten von den Vorjahren abwichen.

„Die Flut traf das Jena Experiment im Juni 2013 völlig überraschend und einige Versuchsparzellen waren daraufhin für bis zu drei Wochen komplett unter Wasser“, erläutert Prof. Eisenhauer. Und Prof. Dr. Wolfgang Weisser von der TU München und Sprecher des Jena Experiments ergänzt: „Wir waren besorgt, dass das Experiment zerstört sein könnte aufgrund dieser starken Störung“. Doch die Wissenschaftler machten aus der Not eine Tugend und studierten im Detail die Auswirkungen des Hochwassers. Dr. Anne Ebeling, Wissenschaftliche Koordinatorin an der Universität Jena: „Hierfür organisierten wir innerhalb kürzester Zeit viele zusätzliche Messungen und nutzten die Stärke des Jena Experiments: Die Zusammenarbeit von Mitgliedern unterschiedlichster Expertise – von Pflanzen- und Bodenökologen, Hydrologen, Chemikern und Zoologen.“

Das Jena Experiment ist eines der längsten Biodiversitätsexperimente Europas und untersucht die Zusammenhänge zwischen Pflanzendiversität und Ökosystemprozessen im Grasland. Auf 80 Versuchsflächen (á 30 Quadratmeter) studieren Wissenschaftler unterschiedliche Biodiversitätseffekte von ober- und unterirdischen Prozessen.