Dmitrij Gawrisch „Die Russen“

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Der in Kiew geborene Schweizer Autor Dmitrij Gawrisch spürte während seines Aufenthalts in Jena vergessenen, verdrängten und verschwiegenen deutsch-russischen Geschichten nach. Konkret ging es ihm um die Zwangsnachbarschaft zwischen sowjetischen Soldaten und der deutschen Zivilbevölkerung. Nach Kriegsende besaß die Sowjetarmee mehrere Stützpunkte in Jena. In Jena Nord etwa, entlang der Naumburger Straße, war die 79. Panzerdivision der 8. Garde-Armee stationiert. Offiziell beschränkte sich der Kontakt zwischen Befreiern und Befreiten, Besatzern und Besetzten, „Russen“ und Deutschen auf oberflächliche, blutleere, lieblos inszenierte Freundschaftstreffen an sozialistischen Feiertagen. Darüber hinausgehender persönlicher Kontakt und Austausch waren auf beiden Seiten nicht gern gesehen und zeitweise sogar verboten. Was die damaligen Machthaber aber offensichtlich vergaßen: Das Verbotene übt umso größeren Reiz und Faszination aus.

„Dieses Thema führt dich geradewegs in ein Minenfeld“, wurde Gawrisch gleich nach seiner Ankunft in Jena gewarnt. Und: „Über die Russen sprechen die Thüringer nicht.“ Sie tun es doch, musste Gawrisch bald feststellen, aber lieber nicht in der Öffentlichkeit – wer weiß, wer da mitlauscht. So fanden manche Gespräche – in bester Agentenmanier – im Wald, auf einer Brache oder im Hinterzimmer einer Bäckerei statt. Dutzende Zeitzeugen konnte der Autor bei
seinen Recherchen befragen, Archive nach Bildern und Berichten durchforsten und einstige Kommandaturen, Kasernen und Soldatenküchen besichtigen. Die Ergebnisse seiner Nachforschungen wird Dmitrij Gawrisch in einer 45-minütigen Lesung mit anschließendem Gespräch in der Villa Rosenthal erstmals öffentlich vorstellen. Dazu wird der Jenaer Fotograf Frank Müller Bilder ausstellen, die er vor und nach dem Abzug der „Russen“ in den Kasernen gemacht hat.

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Festival de Colores statt.
Kurzversion:
19. Juni 2014 | 19.30 Uhr | Villa Rosenthal, Mälzerstraße 11
Lesung mit Dmitrij Gawrisch „Die Russen“
Fünf Monate hat der aktuelle Jenaer Stadtschreiber Dmitrij Gawrisch über die Rote Armee im Jena der Nachkriegszeit recherchiert, Archive durchforstet, Dutzende Zeitzeugen befragt, einstige Kommandanturen, Kasernen und Soldatenküchen besichtigt. Entstanden ist dabei eine vielstimmige Bühnenerzählung, die nun in Auszügen erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wird.