Lotsen gehen an Bord

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TABARZ. Ingo Böttger war überpünktlich. Der Aspacher saß schon eine Stunde vor der Premiere im Beratungszimmer in der MediClin Klinik am Rennsteig. Er und Hans Neuland (Gotha) sind Diabetes-Lotsen. Sie bieten ab sofort am ersten Mittwoch des Monats von 16 Uhr bis 17 Uhr ihre Dienste an: Nicht nur den rund 600 Diabetikern, die jährlich eine Reha in Tabarz machen, sondern auch den Betroffenen aus der Region.

Wozu braucht es Diabetes-Lotsen? „Wir sind die Vermittler zwischen Patienten und den Medizinern. Wir sind selbst Diabetiker, sprechen also die gleiche Sprache, haben die gleichen Erfahrungen gemacht“, sagt Hans Neuland. Mit dieser Erkrankung bei möglichst hoher Lebensqualität den Alltag zu meistern, bedarf einiges an Wissen. Erst recht, um bürokratische Herausforderungen wie die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises zu meistern.

90 % der Patienten sind zudem Typ-2-Diabetiker,und meist im höheren Alter. „Dann kann selbst das Messen des Blutzuckers und das richtige Spritzen eine Herausforderung darstellen“, besagen Ingo Böttgers erste Erfahrungen. Er hat erst im vorigen Jahr seinen Lotsen-Pass an der Akademie des Diabetiker-Bundes in Kassel gemacht.

Hans Neuland hingegen ist quasi „Lotse der ersten Stunde“. Edith Clausen, die den Deutschen Diabetiker Bund (Landesverband Thüringen e. V.) führt, hatte 2007 die Idee zur Ausbildung. Neuland war dann im ersten Kurs. Seither leistet er im Durchschnitt 60 „Lotsendienste“ im Jahr.

Dass die MediClin Klinik am Rennsteig sich nun die Lotsen an Bord geholt hat, ist kein Zufall: Sie ist Thüringens Kompetenzzentrum in Sachen Diabetes. Hier hat man sich besonders spezialisiert auf die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms. Dem Diabetes-Zentrum ist zudem eine Diabetes-Fußambulanz angeschlossen.

Zum anderen ist Edith Clausen Mitglied im Förderverein der Klinik, der im September 2012 entstand. „Dort haben wir die Idee für den ,Lotsen-Platz‘ geboren“, erklärt Chefärztin Dr. Sabine Victor, die auch Fachärztin für Diabetologie/Endokrinologie ist.

Die Klinik ist darüber hinaus schon seit Jahren aktiv: Im jährlichen Wechsel finden ein Diabetes-Tag und das Pumpenträger-Treffen statt. Pumpenträger sind jene, die sich nicht Insulin spritzen, sondern diesen überlebenswichtigen Stoff mittels einer Infusionspumpe dem Körper zuführen. Das Gerät – klein wie ein Kartenspiel – nutzen v. a. jene, die stark schwankende Insulinmengen benötigen, weil sie körperlich sehr aktiv sind oder extrem hohe oder sehr geringe Dosen benötigen.

In Thüringen leben aktuell rund 210.000 Diabetiker – davon haben ca. 90 % Typ-2-Diabetes. Von den verbleibenden etwa 21.000 Patienten mit Typ-1-Diabetes brauchen rund 5 % die Insulinpumpe.