Warum die Intershop Communications AG optimistisch in die Zukunft blickt

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Facebook geht an die Börse. Die Social-Network-Seite strebt eine Marktkapitalisierung von mehr als 100 Milliarden Dollar an und wäre damit mehr wert als die Deutsche Bank, BMW und VW zusammen. Nun werden Erinnerungen an die Dotcom-Blase wach. David Ortmann hat sich bei Intershop erkundigt. Wie die Stimmung bei dem einstigen Software-Giganten ist, lesen Sie hier …

Jena, Intershop-Tower, 26. Etage. Über die Frage, ob der Herzdefibrilator gleich neben der Rezeption gegen Kammerflimmern bei stürzenden Börsenkursen helfen soll, kann in der Intershop Communications AG keiner schmunzeln. Auch Stephan Leschke holt erst tief Luft – presst sich anschließend aber doch ein Lachen heraus. Der Director Corporate Development weiß, dass sein Unternehmen auf ewig mit dem Platzen der Dotcom-Blase verbunden bleiben wird. Der Crash im März 2010 fegte tausende Unternehmen vom Markt und auch die Intershop Communications AG mit Sitz in Jena musste furchtbare Verluste hinnehmen.

Auf dem Höhepunkt des Hypes vor einem Jahrzehnt war die Intershop-Aktie gut 2000 Euro wert. Als die Blase platzte, stürzte auch der Wert des Anteilscheines auf unter einen Euro. Während in Jena die Welt unterging, beendete Stephan Leschke gerade  sein Studium und saß „in irgendwelchen Kellern und entwickelte Software.“ Sein Weg führte den 41-Jährigen über Hamburg, Frankfurt, Minden und Stuttgart nach Jena. Seit April 2009 ist Leschke Manager des einstigen Software-Giganten.

Die Höhe – sein Büro befindet sich in der 26. Etage – ist nicht sein Ding. Aber wenigstens sei „das Fensterglas ziemlich dick“, versichert der Manager. Das Büro wirkt kalt und ungemütlich. An der Wand wurden einige Ausdrucke notdürftig befestigt, in der Ecke stapeln sich Kartons und die Ordner stehen im Fensterbrett. Dieses Büro macht nicht den Eindruck, dass hier jemand arbeitet, der angekommen ist. Und ein Wechsel würde zu seiner Karriere passen. Intershop ist das fünfte Unternehmen, in dessen Dienst Stephan Leschke steht – und das seit April 2005. „Aber“, erwidert Leschke, „dieser Eindruck trifft so definitiv nicht zu“. Er arbeitet gern für Intershop. „Wir schreiben seit mehreren Jahren in Folge schwarze Zahlen. Wir sind hochprofitabel und mit einem aktuellen Produkt am Start.“ Das Unternehmen habe also eine große Zukunft.

Auch auf die Frage, ob es nicht besser sei, in dieser Situation mit seinem Ersparten zum Pferderennen auf den Boxberg nach Gotha zu fahren, als auf eine Intershop-Aktie zu setzen, entgegnet der Manager: „Wer vor zwei Jahren in die Aktie investiert hat, hat jetzt schon den Kurs verdoppelt.“ Eigentlich läuft alles gut. Doch plötzlich werden bei einigen Experten böse Erinnerungen wach.

Die Social-Network-Seite Facebook macht derzeit mit riesigen Gewinnchancen  von sich reden. Das Unternehmen von Jung-Milliardär Mark Zuckerberg strebt an die Börse und die Fachleute sagen eine Marktkapitalisierung von mehr als 100 Milliarden Dollar voraus. Damit wäre Facebook mehr wert als die Deutsche Bank, BMW und VW zusammen. Und das, obwohl Facebook mit einem Jahresumsatz von 800 Millionen Dollar im Vergleich zu den deutschen Top-Unternehmen eher ein Leichtgewicht ist.

Kein Wunder also, dass dabei Erinnerungen an die sogenannte Dotcom-Blase wach werden. Aber: „Der  Wert liegt immer in der Wahrnehmung des Betrachters“, so Leschke. „Zukunftsvisionen spielen dabei eine enorme Rolle.“ Der Manager steht den Befürchtungen gelassen gegenüber: „Ich glaube, dass zumindest viele, wenn nicht gar alle, aus den Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre gelernt haben.“
Laut Leschke bedeute allein die Frage nach einem Hype einen Lerneffekt. „Früher hätten die Unternehmen einfach investiert, heute wird zunächst geschaut, ob es sich um eine Blase handelt.“

Die Intershop Communications AG investiert im Moment intensiv in neue Produkte und neue Partnerschaften. 239 Mitarbeiter forschen und entwickeln. Hinzu kommt, dass im vergangenen Jahr ein strategischer Investor an Bord geholt wurde: GSI Commerce hat eine Milliarde Euro im Rücken und gerade Interesse geäußert. „Wir haben starke Partner“, meint Leschke. „Diese nutzen wir, um ein neues Produkt auf den Markt zu bringen, mit dem wir noch mehr interessieren können.“

Die Vision heißt also weiter wachsen. Der Unternehmenswert wird derzeit auf 70 Millionen Euro geschätzt. Bis zum einstigen Wert von elf Milliarden Euro, auf der Höhe des Aktionshypes, vergehen sicher noch einige Jahre. Aber manchmal geht es eben schneller, als man denkt. Auch nach oben.

Publiziert am 03. Juli 2011, 16:13 Uhr; Erschienen in der aktuellen Ausgabe – Oscar-am-Freitag