Sind wir zum Glückskind oder Pechkeks geboren?

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Wer oder was bestimmt darüber, ob wir uns im Leben auf der Glücksspur befinden – oder scheinbar ständig das Pech anziehen? Prof. Dr. med. Joachim Bauer (Berlin) berichtet im Interview über frappierende neue Erkenntnisse der Neurowissenschaften.

Herr Prof. Bauer, Sie verweisen auf Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften und sagen, dass der Mensch ohne Selbst geboren wird. Bedeutet das, dass wir uns buchstäblich „selbst“ machen?

Als „Selbst“ bezeichnen die modernen Neurowissenschaften alle inneren Überzeugungen und Gedanken darüber, was ein Mensch glaubt, wer er oder sie ist. Dieses „Selbst“ ist keine heiße Luft, sondern eine mächtige, über unser Glück entscheidende Instanz. Die neuronalen Selbst-Netzwerke wurden erst vor wenigen Jahren entdeckt, sie sitzen in der unteren Etage des Stirnhirns, hinter dem Bindi-Punkt, den manche indische Frauen auf der Stirn tragen. Zum Zeitpunkt der Geburt ist diese Gehirnregion biologisch noch unreif und funktionsunfähig. Neugeborene sind fühlende Wesen, ein Selbst besitzen sie definitiv noch nicht.

Und wie genau finden wir zu unserem Selbst?

Über Resonanz. Der Klang einer Gitarrensaite kann eine zweite, gleich gestimmte Saite einer zweiten Gitarre zum Klingen bringen. Im Gehirn Neugeborener sitzen Resonanz-Nervenzellen, die mit den Gefühlen, die Bezugspersonen zeigen, mitschwingen – eine Art „Ansteckung“, die über die Sprachmelodie und die Körpersprache läuft. Die Art und Weise, wie Bezugspersonen auf einen Säugling reagieren, veranlasst im Säugling eine Resonanz und gibt ihm eine Information darüber, wer er oder sie ist. Diese Informationen werden abgespeichert, aus ihnen entwickelt sich in den ersten etwa 24 Lebensmonaten ein „Selbst“.

Wie entsteht ein Selbst, mit dem wir glücklich sind? Warum sind manche Menschen scheinbar wahre „Glückskinder“ – und warum ziehen andere offenkundig immer wieder das Pech an?

Die Art und Weise, wie Bezugspersonen mit einem Säugling umgehen, enthält eine Menge an Informationen, über die wir Erwachsenen uns oft gar nicht bewusst sind, die vom Säugling aber intuitiv wahrgenommen werden. Zunächst einmal: Werde ich überhaupt „gesehen“? Existiere ich für die anderen? Dann aber vor allem: Spüre ich, dass man sich über mich freut, wenn ich mich melde? Bin ich willkommen auf dieser Welt? Oder lässt man mich spüren, dass ich anderen vor allem zur Last falle? Die Tonalität der Behandlung, die der Säugling erlebt, wird zum Kern seines Selbst-Gefühls. Damit gehen wir dann ins Leben. Wer die Botschaft in sich trägt: Ich bin jemand, über den sich andere freuen, wird zum „Glückskind“. Wer ständig das Gefühl hat, ich bin nicht gut genug, zieht das Pech an.

In Ihrem Buch „Wie wir werden, wer wir sind“ haben Sie sich ausführlich mit dem Thema Glück auseinandergesetzt. Haben Sie ein Glücksrezept gefunden, das jeder für sich nutzen kann?

Glück oder Unglück findet nicht im „Außen“ statt – Irrtum! Der Ort des Glücks ist das Selbst. Glücklich ist, wer mit dem eigenen Selbst in Frieden lebt. Quelle von Unglück ist das Gefühl: „Ich bin nicht gut genug, ich falle anderen nur zur Last, ich bin an irgendetwas schuld.“ Wer unglücklich ist und ein Glücksrezept sucht, sollte seine Aufmerksamkeit ins Innere lenken und nachschauen: „Was ist hier los? Wer oder was macht mir das Leben schwer?“ Dazu sollte ich dann mit jemandem, der mir wohlgesonnen ist, das Gespräch suchen. Menschen, die in mir nur das Gefühl aktivieren, dass ich nicht gut genug bin, sollte man auf Distanz halten oder sich von ihnen trennen. Das wichtigste Glücksrezept lautet: Umgebe dich mit freundlichen, warmherzigen Menschen!

Sie gelten als einer der führenden Experten zum Thema Gesundheit im Beruf. Warum macht uns Arbeit, wie sie heute organisiert ist, so häufig krank?

Arbeit heißt Hingabe, Engagement und Verausgabung. Was arbeitende Menschen krank macht, ist aber nicht die Verausgabung, sondern die sogenannte „Effort-Reward-Imbalance“, und das heißt, der Mangel an Wertschätzung und Anerkennung.

Und was müssen wir tun, damit uns Arbeit glücklich macht?

Wenn Arbeit uns glücklich machen soll, müssen wir den Beziehungsaspekt in den Vordergrund stellen. Lohn, Arbeitszeiten: Das ist alles wichtig. Noch viel wichtiger aber ist: Erlebe ich Dankbarkeit? Kommt von denen, für die ich mich engagiere, etwas zurück? Dafür kann ich selbst etwas tun. Dies gilt für die Verkäuferin, die ihre Kunden freundlich bedient und ihnen auch mal in die Augen schaut, ebenso wie für den Busfahrer oder für die Person am Schalter.

Viele Menschen träumen von einem Millionengewinn und davon, nie wieder arbeiten zu müssen. Was meinen Sie, brauchen wir Arbeit zum Glück oder könnten wir mit den Millionen zum Beispiel aus dem Eurojackpot unser Leben besser anders organisieren?

Menschen brauchen das Gefühl, gebraucht zu werden. Menschen, die ungewollt keine Arbeit haben oder unvorbereitet in Rente gehen, haben ein stark erhöhtes Krankheitsrisiko. Die Arbeit ist aber nur eine Art und Weise, für sich Sinn im Leben zu finden. Musik, Sport, Tanzen, Theaterspielen, Wandern, Partnerschaft, ein Tier, sich um Enkel kümmern – das alles sind mögliche Glücksquellen neben der Arbeit. Wer Zugang zu einer dieser Quellen hat, kann auf Arbeit gut verzichten.

Und was macht Sie persönlich glücklich?

Zu wissen, dass mich einige Menschen so, wie ich bin, mögen.

Zur Person

Univ.-Prof. Dr. med. Joachim Bauer (Berlin) ist ein international renommierter Neurowissenschaftler, Arzt, Psychotherapeut (Lehrtherapeut, Supervisor) und Sachbuch-Autor. Er ist Facharzt für Innere Medizin, Psychiatrie und Psychosomatische Medizin, Professor auf Lebenszeit an der Universität Freiburg im Breisgau und Gastprofessor an der renommierten International Psychoanalytic University in Berlin.

www.psychotherapie-prof-bauer.de

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