André Wesche im Gespräch mit dem Regisseur von „Herr der Ringe“ und „Der Hobbit“

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Peter Jackson startete mit längst zu Kultfilmen avancierten Splatter-Werken wie „Bad Taste“ und „Braindead“ in seine Karriere. Mit dem Drama „Heavenly Creatures“ etablierte sich der Neuseeländer 1994 auch in der Welt des anspruchsvollen Kinos. Als Produzent, Autor und Regisseur wagte Jackson schließlich die Leinwandadaption der als nicht verfilmbar geltenden „Herr der Ringe“-Romane von J. R. R. Tolkien und schuf so eine der erfolgreichsten Filmreihen aller Zeiten. Nun bringt der 52-jährige mit der Trilogie „Der Hobbit“ auch Tolkiens Vorgeschichte zu „Der Herr der Ringe“ auf die Leinwand. Teil 2, „Smaugs Einöde“, startet am Donnerstag im Kino. Ein Gespräch.

Mr. Jackson, bis zu 48 Stunden harren Fans auf dem Potsdamer Platz aus, um der „Hobbit“-Premiere beizuwohnen.

Ich hoffe, sie haben sich gut eingepackt und sie holen sich keine Erkältung.

Haben Sie sich inzwischen an diesen Rummel gewöhnt?  

Man gewöhnt sich nicht daran. Es erinnert mich an die Verantwortung, die ich trage. Der Ansatz meiner Arbeit ist ziemlich egoistisch, ich mache diese Filme in erster Linie für mich selbst. Es ist nicht möglich, Filme auf ein Publikum zuzuschneiden. Es gibt so viele unterschiedliche Meinungen, wie es Fans gibt. Irgendjemand wird deine Arbeit immer lieben, andere werden verabscheuen, was du tust. Ich möchte einen Film machen, den ich selbst sehen möchte, auf dieser Basis treffe ich all meine Entscheidungen. Das ist die einzig ehrliche Herangehensweise. Ich bin selbst ein Fan und ich liebe Filme. Schon als Kind liebte ich Fantasy, die Ray-Harryhausen-Klassiker wie „Jason und die Argonauten“. Die „Hobbit“-Filme mache ich für dieses Kind in mir. Ich kann nur hoffen, dass all diese Fans, die da draußen campen, meinen Filmgeschmack teilen. Ich möchte sie nicht enttäuschen.

Wann wurde die Entscheidung getroffen, aus dem vergleichsweise dünnen Buch „Der Hobbit“ gleich drei Kinofilme zu machen?    

Ursprünglich waren zwei Filme geplant. Die Entscheidung, drei Teile herauszubringen, fiel im Juli letzten Jahres. Damals war ein Großteil bereits abgedreht. Wir haben ja nicht nur den „Hobbit“ verfilmt. Zwanzig Jahre nach dem Erscheinen des „Hobbit“ brachte Tolkien „Der Herr der Ringe“ heraus – eine mystische, wesentlich kompliziertere und erwachsenere Fortsetzung des „Hobbit“, wenn man so will. Tolkien war ein anderer Schriftsteller geworden, seine Werke bedienten sich einer anderen Sprache. In der Retrospektive begann er, die Lücken zwischen beiden Werken zu schließen und einige der Löcher in „Der Hobbit“ zu füllen.

Zum Beispiel?

Gandalf verschwindet in „Der Hobbit“ und man weiß nicht so recht, wohin es ihn verschlägt. Tolkien begann damit, solche Fragen zu beantworten. Nach seinem Tode wurden all diese Notizen herausgegeben. Dieses Material, auf das wir Zugriff hatten, war ziemlich faszinierend. Wir hatten das Empfinden, dass eine Trilogie noch befriedigender sein würde, so konnten wir mehr von dem Material in die Geschichte einbauen. Als das Studio sich bei uns meldete, haben wir es mit diesem Vorschlag überrascht. Ich weiß, dass oft behauptet wird, das Studio hätte diese Entscheidung getroffen, aber das stimmt nicht. Meine Frau Fran, Philippa Boyens (Anm.: beide Drehbuch und Produktion) und ich haben das getan und unsere Gründe waren kreativer Natur.

Würde man Ihnen eines Tages die Rechte an Tolkiens „Das Silmarillion“ anbieten, kämen Sie in Versuchung?   

Als ich vor genau zehn Jahren mit „Die Rückkehr des Königs“ auf Pressetour war, sagte man mir ständig, ich müsse nun „Der Hobbit“ angehen. Das habe ich entschieden abgelehnt, heute komme ich mir deswegen idiotisch vor. Darum möchte ich es unbedingt vermeiden, Dinge zu äußern, die mich später einholen könnten. „Das Silmarillion“ ist, wie der Hobbit auch, eine Herausforderung. Es ist eine Geschichtensammlung. Es gibt nicht diese eine Story, die man verfilmen kann, man müsste bestimmte Abschnitte vorantreiben.

Erkennen Sie in diesem Buch einen Film?

Ich habe es ewig nicht gelesen. Wir besitzen die Rechte nicht, deshalb bin ich lieber vorsichtig. Die Anwälte schauen sich sehr genau an, was wir machen. Sollten Elemente aus dem Buch in unseren Geschichten auftauchen, und sei es auch nur versehentlich, würden wir rechtliche Probleme bekommen. Deshalb habe ich lieber die Finger davon gelassen.

Auf welcher Basis entscheiden Sie, wie brutal ein Film werden darf?

Das unterliegt keinem Entscheidungsprozess. Ich überlege mir nur, wie man die Orks auf der Leinwand töten kann. Irgendwie muss man sie ja zur Strecke bringen. Ich versuche, Actionszenen immer mit einem gewissen Humor anzugehen. Ich glaube nicht, dass das besonders gewalttätig ist.

Machen Sie sich die Entscheidung schwer, welche Szenen in einen Film Eingang finden und was herausgeschnitten werden muss?

Wir haben ja bereits bei „Der Herr der Ringe“ auch erweiterte Versionen angeboten, das mildert den Schmerz. Uns bleibt stets diese Option, aber wir ziehen sie nicht immer. Wir haben viel Material gedreht, das auch in den „Extended Cuts“ aus den verschiedensten Gründen nicht auftauchen wird. Ich mache den Film ja zuerst für mich und es bleibt drin, was ich für cool halte.

Auch in „Smaugs Einöde“ sind Sie wieder mit einem Gastauftritt vertreten, ebenso wie Ihre Tochter. Ist der Film der teuerste „Home Movie“ aller Zeiten?

Da ist etwas dran. Wenn man Filme macht, wirkt sich das immer auf das Privatleben aus. Ich befinde mich in der glücklichen Lage, dass sich das Filmstudio, in dem wir in Neuseeland drehen, nur fünf Autominuten von meinem Haus entfernt befindet. Wir haben es immer hinbekommen, das Filmemachen zu einem Teil unseres Familienlebens zu machen. Ich versuche nicht, meine Tochter auf die Leinwand zu kriegen, weil sie eines Tages eine berühmte Schauspielerin sein möchte. Das ist überhaupt nicht ihre Ambition. Es macht einfach Spaß und tatsächlich ist der Film dann wie ein Urlaubsvideo für uns. Unseren beiden Hunden haben wir ebenfalls ein Cameo verschafft. Wir lachen darüber.

Ist es eine Erleichterung, wenn „Der Hobbit“ für Sie Geschichte ist?

Noch arbeite ich am dritten Film. Und es macht mir großen Spaß, was ich tue, auch wenn es manchmal sehr hart ist und ich nur zwei Stunden Schlaf abkriege. Schlaf ist nicht wichtig. Irgendwann werde ich schlafen können, so lange ich will. Ich übe den Beruf aus, von dem ich geträumt habe, als ich als 7-jähriger mit der Super 8-Kamera meiner Eltern im Garten hinterm Haus Monsterfilme gedreht und mit der Stop-Motion-Technik experimentiert habe. Mein Traum ist in Erfüllung gegangen, ich bin der glücklichste Mensch auf dieser Welt.

Sind die Spinnenszenen in Ihren Filmen eine Art Therapie für Sie selbst?

Ich habe tatsächlich große Angst vor Spinnen, ich hasse sie. Es sind fürchterliche Geschöpfe, ich mag nicht, wie sie sich bewegen, wie sie ihre Netze spinnen. Spinnen gehören zu den Dingen, die ich am meisten fürchte. Und ich hoffe natürlich, dass sie dann auch die Zuschauer ängstigen.

Warum tragen Sie eigentlich keine Schuhe?

Weil ich Schuhe nicht mag. Ich fühle mich ohne sehr viel wohler und bin glücklich, wenn ich auf sie verzichten kann. Vielleicht werde ich heute Abend bei der Premiere Schuhe anziehen, es ist ziemlich kalt. So dumm bin ich dann auch wieder nicht, in klirrender Kälte barfuß herumzulaufen. (lacht)

 

Die Fragen stellte André Wesche.