Ein Gespräch mit Oscar-Preisträger Michael Douglas

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Sein Kinodebüt gab Michael Douglas 1966 an der Seite seines Vaters, der Filmlegende Kirk Douglas. Das Werk trug bezeichnenderweise den Titel „Der Schatten des Giganten“. Douglas Junior feierte mit der TV-Serie „Die Straßen von San Francisco“ (1972-1977) und als Produzent des Oscar-Gewinners „Einer flog übers Kuckucksnest“ erste Erfolge. 1988 durfte der Schauspieler seinen zweiten Oscar für seine Hauptrolle in Oliver Stones „Wall Street“ entgegennehmen. Seine Auftritte in Filmerfolgen wie „Basic Instinct“, „The Game“ oder „Der Rosenkrieg“ machten Michael Douglas endgültig zu einem der „100 größten Schauspieler aller Zeiten“ (1997).

In Steven Soderberghs schwelgerischer Filmbiografie „Liberace – Zuviel des Guten ist wundervoll“ schlüpft Michael Douglas (68) in die Rolle des lebensfrohen Entertainers Liberace, der in den 1960-er und 70-er Jahren zur Show-Ikone aufstieg und den Stil von zeitgenössischen Künstlern wie Elton John und Lady Gaga entscheidend mitprägte. Matt Damon spielt Liberaces Liebhaber. Wir trafen Michael Douglas in Berlin zum Gespräch über den Film, seine Karriere und die überstandene Krebs-Erkrankung. 

 

Mr. Douglas, wie geht es Ihrem Vater?

Es geht ihm fantastisch, danke. Er ist 96 Jahre alt und arbeitet an seinem zehnten Buch, das den Titel „I am Spartacus“ trägt.

 

Wie geht es Ihnen?  

Gut, danke. Ich habe kürzlich meinen letzten PET-Scan absolviert. Wenn man die Krebstherapie abgeschlossen hat, wird man alle drei Monate getestet, nach einem Jahr alle sechs Monate. Ich bin beschwerdefrei und bei meiner Art von Krebs hat man damit die 95 %-ige Chance, dass er nicht wiederkehrt. Das sind doch gute Aussichten.

 

Wie hat diese Erfahrung Ihr Leben verändert?

Eines Tages sagt Dir jemand, Du hast Krebs im 4. Stadium. Das ist nicht gut. Du entscheidest dich relativ rasch für die Art der Behandlung. Ich habe es nicht philosophisch betrachtet und über Sterblichkeit, das Leben und den Tod sinniert. Meine Einstellung war: „Lasst uns das hinter uns bringen!“. Man verliert eine Menge an Gewicht und viel Energie. Dann ist die Behandlung eines Tages vorüber, du wirst getestet und es wird nichts mehr gefunden. Ein schönes Gefühl. Wenn ich mir diesen Film anschaue, würde ich behaupten, der Krebs hat meinem Schauspiel geholfen. Er hat mich als Schauspieler mutiger gemacht. Ich vertraue stärker meinem Instinkt und habe das Gefühl, dass ich nichts zu verlieren habe. Das zeichnet sich deutlich ab. Ich habe inzwischen drei Filme gedreht und ich erkenne diese Tendenz in jedem von ihnen. Ich fühle mich einfach wohler mit mir selbst.

 

Die Hollywood-Studios fanden das „Liberace“-Drehbuch „zu schwul“. Brauchte es auch deshalb Mut, diese Rolle zu spielen? 

Nein. Es war einfach eine sehr schwierige Rolle. Man muss glaubwürdig Klavier spielen können und zu einem Vollblut-Entertainer werden. Ich hätte ob all dieser Möglichkeiten nicht aufgeregter sein können. Man musste einer Person des wahren Lebens gerecht werden, die jeder kannte. Das ist eine große Herausforderung. Ich war sehr glücklich, denn dieses Angebot ereilte mich in der Zeit nach meiner Krankheit, in der ich nicht sicher war, ob ich jemals wieder arbeiten würde. Dann liest man dieses wundervolle Drehbuch, Steven Soderbergh führt Regie und Matt Damon ist mein Co-Star – das war fantastisch! Der furchteinflößende Teil ist, dass man sicher sein muss, einer solchen Rolle, wie auch Gordon Gecko („Wall Street“) eine war, wirklich gerecht werden zu können. Man muss ihr ganzes Potential ausschöpfen.

 

Haben Sie Liberace je persönlich getroffen?

Das habe ich tatsächlich. Ich muss etwa 14 Jahre alt gewesen sein, als er mir in Palm Springs begegnete, wo mein Vater lebte. Er kam in einem Rolls Royce-Cabriolet angefahren. Das Verdeck war offen, trotzdem bewegte sich sein Haar keinen Millimeter. Er lachte breit, alles an ihm glänzte und ich dachte: „Wow! Wer ist dieser Typ?“.

 

Wie schwierig war es, sich emotional in diesen Entertainer aus einer anderen Ära hineinzuversetzen?

Das Schöne am Porträt eines Charakters ist, dass man sich von außen nähert, wie ein Clown, der sein Make Up aufträgt. Ich habe ein Jahr lang Klavier geübt. Dann habe ich an meiner Stimme gearbeitet. Dann haben wir langsam angefangen, die richtigen Perücken zu suchen. Ich habe mir Liberace auf alten Videobändern angeschaut. Einer Annäherung von innen bedurfte das Porträt seiner großen Lebensfreude und seines Bedürfnisses, dass sich die Leute in seiner Gegenwart wohlfühlten. Er wollte die Menschen glücklich machen.

 

Was war schwieriger, die äußerliche Transformation oder das Küssen von Matt Damon?

Ich musste zum allerersten Mal meine Kirk-Douglas-Physis hinter mir lassen, ich musste fett und glatzköpfig sein. Matt und ich hatten das Drehbuch aufmerksam studiert, es gab keine Überraschungen. Die Gespräche drehten sich eher darum, welche Art von Lipgloss ich heute auftragen soll. „Ich kenne Dich, Du magst Pfirsich!“ Wir hatten Spaß. Es war eine Arbeit mit sehr talentierten Freunden, bei der man sich wohlgefühlt hat.

 

Wussten Sie von Anfang an, dass der Beruf des Schauspielers Ihr Weg sein würde?

Nein! Mein Vater hat immer sehr viel gearbeitet. Wenn wir Ferien hatten, durften wir ihn am Drehort besuchen. Aber ich hatte nie die Absicht, Schauspieler zu werden. Ich war ein Hippie. Ich ging in den 60-er Jahren in Santa Barbara zur Schule. In meinem dritten Jahr am College wurde ich ins Büro gerufen, um mich auf ein Hauptfach festzulegen. Ich dachte, keine Ahnung, Mann. Meine Mutter und mein Vater waren Schauspieler, also hielt ich den Theaterkurs für den einfachsten Weg. Ich habe die Schauspielerei gehasst. Ich hatte entsetzliches Lampenfieber und ich war alles andere als gut. Mein Vater kam, um sich mein erstes Stück anzuschauen und sagte: „Mein Sohn, Du warst einfach nur schrecklich.“.

 

Wie schwierig war es für Sie, Ihren eigenen Weg zu finden?

Natürlich hat der Name geholfen, die ersten Chancen zu bekommen. Aber es braucht lange, die eigene Identität zu etablieren. Die Hälfte meiner Gene habe ich von meinem Vater. Ich sehe aus wie er und habe einige seiner Verhaltensmuster geerbt. Als Produzent war ich einige Zeit viel erfolgreicher. Man fragte mich immer, warum ich mich nicht aufs Produzieren konzentriere und immer noch der Schauspielerei treu bleibe. Aber inzwischen mochte ich die Schauspielerei und hatte das Gefühl, etwas anbieten zu können. Dann kam das Jahr 1987 mit „Eine verhängnisvolle Affäre“ und „Wall Street“. Die Filme starteten im Abstand von drei Monaten. Die Kombination aus dem finanziellen Erfolg von „Eine verhängnisvolle Affäre“ und dem Oscar-Sieg für „Wall Street“ erlaubte es mir, endgültig aus dem Schatten meines Vaters zu treten.

 

Liberace erscheint einem im Film manchmal trunken vom Erfolg. Bestand diese Gefahr jemals in Ihrer Karriere?

Einer meiner größten Vorteile für jemanden aus der zweiten Generation war es, dass ich als Kind meinen Vater beobachten konnte, wie er mit Leuten wie Frank Sinatra, Burt Lancester, Gregory Peck, Tony Curtis oder Janet Leigh über eigene Unsicherheiten sprach. Daraus habe ich viele Lehren für mein eigenes Leben gezogen. Mir fiel es viel leichter, mit Publicity, Presse und all diesen Dingen umzugehen.

 

Wenn Sie Liberace eine Frage stellen könnten, welche wäre das? 

Ich möchte gern wissen, woher er seine unbändige Energie genommen hat. Ich kann es mir nicht vorstellen, wenn ich mir den Terminplan anschaue, den er sich noch in höherem Alter zugemutet hat.

 

Glauben Sie, dass der Film „Liberace“ eine neue Phase Ihrer Karriere einläuten wird?

Ja, ich halte diese Zeit für den Beginn meines dritten Aktes. Der Kampf gegen den Krebs hat den zweiten besiegelt. Nach der Krankheit dieses wunderbare Geschenk zu bekommen, das eine Menge Aufmerksamkeit garantiert, das die Menschen offenbar mögen und auf das man sehr stolz ist, ist schon so etwas wie ein neuer Anfang.

 

Gespräch: André Wesche