Unterschätzter Lieblingsautor des Papstes

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Als Papst Franziskus vor einigen Monaten die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner in Rom zur Audienz empfing, bezeichnete er den Roman „Megafón o la guerra“ des Argentiniers Leopoldo Marechal (1900-1970) als „eine Quelle tiefer und sehr persönlicher Inspiration“.

So ist Marechal als „Lieblingsautor des Papstes“ erstmals auch in Europa einer breiteren Öffentlichkeit bekanntgeworden. „Dass Marechal bis zum Ende des 20. Jahrhunderts außerhalb Argentiniens kaum beachtet worden ist, hat politische Gründe“, erklärt Prof. Dr. Claudia Hammerschmidt von der Universität Jena. Unter der ersten Regierung Juan Peróns habe Marechal kurzzeitig einen Posten als Kulturminister bekleidet, was ihm auch Jahrzehnte später noch die Geringschätzung der argentinischen Literatur- und Kulturkritik eingebracht hätte. „Marechals Werk ist lange Zeit weder innerhalb noch außerhalb Argentiniens hinreichend rezipiert worden“, sagt die Lehrstuhlinhaberin für spanische, lateinamerikanische und französische Literaturwissenschaft. „Dabei kann sein Einfluss auf die argentinische und lateinamerikanische Erzählliteratur gar nicht hoch genug eingeschätzt werden“, ist sich Hammerschmidt sicher.

Um diesen Einfluss anlässlich des 65. Jahrestages der Veröffentlichung von Marechals epochalem Roman „Adán Buenosayres“ zu diskutieren, veranstaltet Hammerschmidt in Zusammenarbeit mit der argentinischen Botschaft in Berlin und der Stiftung „Leopoldo Marechal“ eine internationale Tagung an der Universität Jena. Unter dem Motto „Leopoldo Marechal o la fundación de la literatura argentina moderna“ (dt. „Leopoldo Marechal und der Beginn der literarischen Moderne in Argentinien“) werden dazu vom 21.-24. Oktober 2013 die führenden Marechal-Forscher aus Europa, Nord- und Südamerika in Jena zusammentreffen, um aktuelle Forschungsergebnisse zum Werk des Autors auszutauschen und dessen Rolle und Relevanz für die lateinamerikanische Literaturgeschichte neu zu bewerten. Während der Rektor der Universität, Prof. Dr. Klaus Dicke, sowie der argentinische Botschafter Daniel Polski die Tagung in Jena eröffnen werden, findet der feierliche Schlussakt in der argentinischen Botschaft in Berlin statt. Die Veranstaltung wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Ernst-Abbe-Stiftung sowie der Argentinischen Botschaft finanziert.

Monumentalroman zeichnet ein Fresko der argentinischen Gesellschaft

Die Bedeutung Marechals für die Entwicklung der literarischen Moderne in Lateinamerika liegt vor allem in seinem 1948 erschienenen Großstadtroman „Adán Buenosayres“ begründet. Mit seiner doppelten Anspielung auf den biblischen Urmenschen und die argentinische Metropole kündigt bereits der Titel die Tragweite des Werkes an. Der Roman zeichnet ein Fresko der argentinischen Gesellschaft und speziell von Buenos Aires: In einer Art göttlich-menschlicher Komödie thematisiert und karikiert er die kulturpolitischen Ereignisse des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und ist dabei auch erzähltechnisch und stilistisch höchst innovativ. „Mit seinen narrativen Neuerungen in Adán Buenosayres hat Leopoldo Marechal die argentinische und lateinamerikanische Moderne, wie sie sich etwa in Form der ‚nueva novela latinoamericana‘ kondensieren wird, entscheidend vorbereitet“, erläutert Hammerschmidt.

Mit der Tagung, in deren Zentrum „Adán Buenosayres“ stehen wird, will die Romanistin „von Jena aus eine Art ‚Renaissance‘ dieses bisher viel zu wenig gewürdigten argentinischen Autors anstoßen“. Zugleich will Hammerschmidt die Friedrich-Schiller-Universität als Standort der Lateinamerikaforschung sowie als Zentrum der internationalen Marechal-Forschung weiter profilieren. Die Tagung ist kostenlos und steht allen Interessierten offen. Das detaillierte Programm ist im Internet zu finden unter: www.romanistik.uni-jena.de/coloquio_internacional_marechal.