Bestseller „Eine Million Minuten” – Ein Gespräch mit Schauspielerin Karoline Herfurth

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Bild: Gerd Altmann / Pixabay

Schauspielerin Karoline Herfurth im Interview mit André Wesche

In seinem Bestseller „Eine Million Minuten” erzählt Wolf Küper, ein ehemaliger UN-Experte für Umweltschutz, die wahre Geschichte seiner Familie. Inspiriert vom Herzenswunsch der vierjährigen Tochter, eine Million Minuten lang gemeinsam die schönen Dinge des Lebens zu genießen, klinkten sich die Küpers aus ihrem Alltag aus, um in Thailand und auf Island zu leben. Nun wurde der Stoff fürs Kino verfilmt (Start: 01. Februar). Produzent Chris Doll („Sweethearts“) gibt mit „Eine Million Minuten” sein Regiedebüt. In die Hauptrolle der Vera Küper schlüpfte Dolls Ehefrau Karoline Herfurth. Ein Gespräch über Eskapismus-Fantasien, Arbeit und Familie sowie einen bevorstehenden, runden Geburtstag.

Frau Herfurth, haben Sie die Küpers persönlich kennengelernt?

Ja. Und das war ein großes Fest! Vera Küper und ich haben uns getroffen und drei Stunden ununterbrochen geredet. Nach diesem Gespräch hatte ich das Gefühl, mit Sonne aufgetankt zu sein. Vera ist so ein liebevoller und lebensfreudiger Mensch. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass ihre Lebensfreude, dieses Liebevolle und dieses Lebensumarmende, mich durch diesen Film getragen haben. Das war wirklich etwas sehr Schönes. Man hat zu jeder Figur, die man spielt, eine Beziehung. Und das war die wärmste, schönste und liebevollste, die ich bisher hatte.

Sind Ihnen Eskapismus-Fantasien vertraut?

Auf jeden Fall. Ich weiß nicht, ob es mich dann sozusagen raus in die Welt ziehen würde, aber doch. Es gibt ein paar Reisen, die ich wahnsinnig gerne machen würde. Und jedes Mal, wenn ich Regie führe, denke ich, ich mache das zum letzten Mal. Das mache ich nie wieder! (lacht) Dann überlege ich mir, was ich alternativ machen könnte. Ich kann mir vorstellen, aufs Land zu ziehen und mir einen Reithof anzuschaffen. Solche Fantasien habe ich definitiv.

Die Küpers arbeiten an Ihrer Ehe. Unsere Klassenzimmer sind voller Kinder, die allein erzogen werden. Gibt man heute zu schnell auf, wenn Beziehungsprobleme auftauchen?

Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass die Menschen, die heutzutage in einer Beziehung leben, mehr Wahlfreiheit haben und die Beziehung deswegen etwas sein muss, was allen Beteiligten guttut. Wenn man jetzt sagt, früher hätten die nicht so schnell aufgegeben, stimmt das nicht. In den meisten Fällen hatten Frauen nicht wirklich eine Wahl. Das hat sich natürlich sehr verändert. Die Liebe ist viel romantischer geworden als früher, auch wenn man immer denkt, dass es andersherum sei. Die Ansprüche an Beziehungen und Liebe sind gestiegen. Das finde ich auch erst mal gut so. Gerade wenn man jetzt sagt, dass so viele Familien zerbrechen, liegt das meistens nicht unbedingt an fehlender Liebe, sondern an den Strukturen, in denen wir leben. Das ist auch ein Problem. Ich glaube, dass die meisten Menschen davon total überlastet sind und dass das für die Einzelnen gar nicht zu schaffen ist. Es eskaliert immer in einem sehr persönlichen Streit, aber eigentlich hat es etwas mit Lebensumständen zu tun. Die meisten Familien werden sehr alleine gelassen und brauchen viel mehr Unterstützung. Dieser ganze Familienraum muss als Arbeitsraum anerkannt werden, damit diese Unterstützung auch offiziell und professionell politisch auf den Weg gebracht werden kann.

Heute wird überall von der Work-Life-Balance geredet. Was halten Sie von diesem Konzept?

Es ist erstmal sinnvoll und wirklich extrem wichtig, die Hausarbeit und Familienarbeit als Arbeit wahrzunehmen. Das ist einer der wichtigsten Punkte. Man merkt auch, dass immer weniger Menschen diese Rechnung einsehen, dass sie ihr Leben der Arbeit widmen. Sie sagen sich: Wir wollen ja auch noch leben. Der Wohlstand muss anders aufgeteilt werden, damit das ermöglicht wird. Ich glaube und hoffe, dass Arbeitgeber es sich einfach nicht mehr leisten können werden, ihren Angestellten nicht mehr zu bieten als pures Arbeiten. Das ist das, was am Arbeitsmarkt passieren muss und auch wird, weil es sonst einfach nicht mehr möglich sein wird, weiterhin zu produzieren. Die Menschen wollen einfach leben und sagen zu Recht, dass es nicht sein kann, dass man sein Leben in Arbeit verbringt, um sich die Miete leisten zu können, damit irgendwelche Menschen damit noch mehr Gewinn machen. Es kann auch nicht sein, dass ich die ganze Zeit zu Hause arbeite und es niemand merkt. Es wird einfach immer mehr Sichtbarkeit eingefordert, sowohl was soziale Ungerechtigkeit als auch was unsichtbare Arbeit angeht. Das ist auch total richtig so. Ich glaube, dass darauf noch stärker reagiert werden muss, sowohl gesellschaftlich als auch politisch.

Ist es Ihnen möglich, im Alltag Job und Familie zu trennen?

Gar nicht. Mein Leben ist völlig vom Film durchdrungen. Ich mache Filme und ich erzähle Geschichten, damit hat alles zu tun. Ich habe ganz viele Freunde, die gar nicht mit der Filmbranche in Berührung sind. Das gilt auch für meine Geschwister. Dadurch habe ich immer noch ganz viel Kontakt zur „Außenwelt”. Aber natürlich begleitet mich Film von morgens bis abends und es wird auch überall, ständig, die ganze Zeit darüber diskutiert. Das ist nicht leicht zu trennen.

War Ihr Mann froh, dass Sie mal nach seiner Pfeife tanzen mussten?

Ich habe total gerne nach seiner Pfeife getanzt, weil ich ein ganz großer Fan von ihm und seiner Vision bin. Ich bin ganz stolz und glücklich darüber, dass er endlich diesen Schritt gemacht hat, der schon lange anstand. Chris war schon bei all meinen Filmen immer an meiner Seite, auch jeden Tag am Set. Er war immer jemand, der mir als Schauspielerin vor der Kamera, selbst wenn ich selbst Regie geführt habe, Feedback gegeben hat. Deswegen war diese Beziehung sozusagen gar keine neue. Aber ihm bei seiner Vision folgen zu können, war etwas, das ich mir schon sehr lange gewünscht habe. Ich bin ganz froh, dass er das umgesetzt hat, weil er einen ganz besonderen Blick auf Film und das Erzählen von Geschichten durch Kameras hat. Ich finde das sehr beeindruckend. Er ist im Prinzip wie ein wandelndes Filmlexikon, nicht nur was die Filme angeht, sondern auch was Kamerabewegungen, das ganze wann und wo, angeht. Er weiß einfach gefühlt alles. Das ist für mich eine totale Bereicherung. Ich hatte gar kein Interesse daran, meine eigene Vision in irgendeiner Art und Weise rein zu pfuschen. Ich wollte mich tatsächlich ganz ihm überlassen.

Ein Ausstieg wie der der Familie Küpers ist schon finanziell nur einer Minderheit vorbehalten. Ist die Geschichte nicht ziemlich elitär?

Die Möglichkeit, sich zwei Jahre rauszunehmen und zu reisen, hat natürlich nicht jeder. Das ist ganz klar. Diese spezielle Familie arbeitet auf dieser Reise, deswegen ist das schon einigen Menschen möglich. Sie machen nicht nur Urlaub, sie haben ein Einkommen. Auch das muss mit den Berufen möglich sein, die man ausübt. Sie passen ihre Lebenshaltungskosten dem natürlich auch an. Von daher finde ich nicht, dass es eine elitäre Geschichte ist. Den Grundkern, den die Geschichte erzählt, also die Fragen: Wie möchte ich mein Leben gestalten? Ist mein Leben das, was ich leben möchte? Sind der Stress, den ich in meinem Leben habe oder die Arbeit, die ich tue, sichtbar? Oder gehe ich dabei als Mensch unter? Die Fragen kennt jeder. Natürlich haben wir – abhängig von den Strukturen, in denen wir leben – mehr oder weniger Möglichkeit dazu. Das ist eine der größten gesellschaftlichen Fragen überhaupt. Wie möglich ist es, das eigene Leben gestalten zu können? Dazu gehört ja, dass man es sich leisten kann. Und das können immer weniger. Und meistens heißt das nicht, dass man einen Hubschrauber auf dem Dach und einen Pool im Garten hat. Man will einfach nur seine Zeit genießen können. Dass das immer weniger gelingt, weil zum Beispiel Mieten immer teurer werden, ist momentan eine sehr große Frage.

Vera sagt im Film: „Normal – Ich hasse dieses Wort.” Geht es Ihnen ähnlich?

Also „hassen” weiß ich nicht. Das Wort „normal“ hat schon einen Sinn der Sortierung. Es darf aber natürlich nicht zu Unfreiheit führen. Ich habe das Gefühl, dass durch Normen viel übersehen wird, was viel Unfreiheit zur Folge hat. Natürlich ist es aber auch ein Instrument, um eine Gesellschaft zu strukturieren und organisieren. Das ist ein Hin und Her. Man muss die richtige Balance halten. Mir sind die Unfreiheiten teilweise zu ausgeprägt. Es werden ganz viele Menschen übersehen. Ich hatte immer das Gefühl, dass wir nicht in so einer Gesellschaft leben wollen. Ich habe das Gefühl, dass es viele Menschen gibt, die mittlerweile gar nichts mehr dagegen haben, in einer Gesellschaft zu leben, die viele andere Menschen ausgrenzt. Ich möchte das nicht. Ich habe immer noch den Anspruch und den Wunsch, dass wir es hinbekommen, eine integrative Gesellschaft zu sein. In welcher Form auch immer.

Sie sind in einer großen Patchworkfamilie aufgewachsen. Wurde dort sehr darauf geachtet, dass Sie sich frei entfalten können?

Diese freie Entfaltung war auf jeden Fall etwas, was meinen Eltern wichtig war, ja. Es war einfach so, dass ich nicht aufgehalten wurde, wenn ich irgendetwas machen wollte. Wenn ich Lust hatte, irgendetwas auszuprobieren, zum Beispiel zum Zirkus zu gehen, dann wurde das mit Neugier und Freude empfangen. Es gab nie einen vorgedachten Weg für uns. Auch was den Abschluss angeht war immer klar, dass wir unseren eigenen Weg finden werden. Darin wurden wir begleitet, das war tatsächlich so. Ich habe mit 11 schon einmal einen Film gedreht und dann kam noch mal eine Anfrage. Da haben meine Eltern zum ersten Mal in meinem Leben gesagt, dass ihnen das jetzt zu viel wird, weil mich das vier oder fünf Wochen aus der Schule rausgeholt hätte. Das wollten sie nicht. Sie wollten, dass ich erst mal ein Kind bin und zur Schule gehe. Als es dann mit 15 nochmal ein Angebot gab, haben sie gesagt: Gut, dann ist es jetzt so. Im Nachhinein bin ich ihnen da dankbar. Eine andere Tür hat meine Mutter noch zugemacht. Ich wollte eigentlich immer Balletttänzerin werden. Sie hat gesagt: Nein, da machst du dir die Knochen kaputt. (lacht) Aber sonst waren meine Eltern eher neugierig, was aus uns wird.

Der Film wurde in Thailand und aus Island gedreht. Welche unterschiedlichen Erfahrungen haben Sie vor Ort gesammelt und wo gefällt es Ihnen besser?

Das ist wirklich Wahnsinn. Diese Reise war für mich eh der Wahnsinn, weil ich eine wahnsinnige Flugangst habe und nicht so gerne reise. Ich habe auf dieser Reise gemerkt, wie schade das ist, weil es einen so begrenzt. Es ist so schön, die Welt zu sehen. Thailand war etwas ganz Besonderes, weil das ganze Team in diesem Dorf gewohnt hat, in dem auch die echten Küpers gewohnt haben. Damals war es so ein Hütten-Dorf. Ganz am Anfang gibt es dieses Restaurant. Dort treffen sich alle zum Frühstück und abends treffen sich alle zum Essen. Man war wirklich Teil einer großen Dorfgemeinschaft. Dann arbeitet man den ganzen Tag in dieser wahnsinnig idyllischen Umgebung. Ich konnte nachts manchmal nicht schlafen, weil die Wellen so stark am Strand aufschlagen, dass die ganze Hütte wackelt. Es ist auch die ganze Nacht einfach so laut. Die echte Vera Küper hat immer gesagt: Du wirst diese Naturgeräusche lieben! Ich musste ehrlich gesagt Oropax benutzen, sonst hätte ich nicht schlafen können. Es war aber so eine schöne Reise.

Island war nochmal ganz anders. Wir kamen aus dieser Wärme und aus diesem Überfluss an Natur. In Island waren es 6 Grad. (lacht) Es war kalt, stürmisch und windig. Wir hatten wahnsinniges Glück mit dem Wetter. In Island sagt man: „If you don’t like the weather, wait a minute.“ Es dauert nur eine Minute, bis sich das Wetter wieder ändert. So war es auch. Wir hatten aber total viel Glück und oft Sonne. Ich habe tolle Menschen in Island kennengelernt, das war eine große Freude. Dieses Gefühl, das sich bei Vera einstellt, wenn sie am Lagerfeuer sitzt, dass sie in diese Community rein will, das war einfach so. Man hatte das Gefühl, dass man eigentlich gerne in Island bleiben möchte. Wo es mir besser gefällt, könnte ich auch nicht sagen. Wahrscheinlich würde ich eher in Island wohnen wollen, wobei es mir dann bestimmt doch irgendwann zu dunkel und zu kalt wird.

Bereiten Sie eine neue Regiearbeit vor?

Ja. Ich werde nächstes Jahr wieder Regie führen und bin fleißig am Schreiben. Mein Kopf raucht gerade, ehrlich gesagt.

Im nächsten Jahr steht auch ein runder Geburtstag ins Haus. Sind Sie jemand, dem das zu schaffen macht?

Überhaupt nicht, älter zu werden ist doch großartig! Und Feste feiern finde ich noch großartiger. Ich finde es logischerweise schade, dass die Lebenszeit weniger wird. Das spürt man natürlich auch, je älter man wird. Wenn ich Glück habe, habe ich noch weniger als die Hälfte meines Lebens übrig. Ich bin jetzt keine, die gerne stirbt, das muss ich zugeben. Aber je älter ich werde, desto besser geht es mir. Desto mehr lebe ich das Leben, das ich leben will. Mein Körper macht mir ein bisschen zu schaffen, weil der auch älter wird. Meine Knie tun weh, meine Hüfte fängt an zu knacken. Was ist denn da los? Aber sonst geht es mir super. Ich freue mich sehr auf die 40. Dieser Geburtstag liegt übrigens in der Drehzeit. Ich erwarte ein großes Fest von Warner. Ich sage es nur mal ganz öffentlich in der Presse: Ich möchte gefeiert werden! (lacht)

Die Fragen stellte André Wesche.

Weitere Information sind auch unter https://www.cineplex.de/film/eine-million-minuten/389872/gotha/ erhältlich.

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