Die Bezüge der Thüringer Beamten, Anwärter, Richter und Versorgungsempfänger sollen rückwirkend zum Anfang des Jahres 2023 um 3,25 Prozent steigen.
Erfurt (red, 1. Juni). Beamte, Richter und Versorgungsempfänger sollen zudem zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise im Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023 eine monatliche Sonderzahlung erhalten. Dies sieht ein Gesetzentwurf der Landesregierung vor, der diese Woche in den Thüringer Landtag eingebracht wurde. Die Entscheidung, ob es zur notwendigen Anhebung kommt, liegt nunmehr in der Hand der Thüringer Abgeordneten. Die Landesregierung nimmt damit den ihr vom Bundesverfassungsgericht 2020 auferlegten Beobachtungspflicht zur Sicherstellung einer verfassungsmäßen Alimentation, insbesondere zur Wahrung des Mindestabstands zur Grundsicherung, nach.
„Wir erkennen die Bemühungen der Thüringer Landesregierung um die Schaffung einer dem Amte nach angemessenen und verfassungskonformen Alimentation an“, so der Landesvorsitzende des Thüringer Beamtenbundes (tbb), Frank Schönborn. „Als erste Landesregierung überhaupt hat diese Thüringer Landesregierung im letzten Jahr ein „Reparaturgesetz“ auf den Weg gebracht. Als einzige Landesregierung überhaupt scheint sie die vom obersten Verfassungsgericht auferlegten Beobachtungspflichten wahrzunehmen und für sich Handlungen daraus abzuleiten.“
Das Vertrauen der Beamtinnen und Beamten in die jeweilige Rechtmäßigkeit der gewährten Besoldung ist jedoch aufgrund der jahrelang praktizierten Unteralimentation erschüttert. Mehrfach mussten die Beamten erst das Bundesverfassungsgericht anrufen, damit dieses für verschiedene Zeiträume rückwirkend urteilt, dass die tatsächlich gewährte Besoldung – dies gilt auch für den Bund und wird in dem Entwurf eingeräumt – im Mindestbereich teils verfassungswidrig zu niedrig bemessen war. Erst nach diesen Urteilen sahen sich sowohl der Bund als auch die Länder verpflichtet, gerade im Bereich der unteren Besoldungsgruppen, aber auch im Bereich des Familienzuschlags gesetzgeberisch tätig zu werden und die Besoldung der Höhe nach zumindest so auszugestalten, dass der Mindestabstand von 15 Prozent zur Grundsicherung gewahrt wird. In Thüringen wurde dafür in den letzten Jahren die Besoldungsgruppen 4 und 5 sowie die erste Stufe der Besoldungsgruppen 6 und 7 gestrichen.
„Wegen der bestehenden Inflation, die sich vor allem in der zum 1. Januar 2023 vorgesehenen Erhöhung der Regelsätze der Grundsicherung, der steigenden Kosten der Unterkunft und insbesondere bei den Energiepreisen manifestiert, besteht im Ergebnis der Überprüfung der Verfassungsgemäßheit der Alimentation anhand der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts signifikanter Anpassungsbedarf“, heißt es zu den Gründen für die Erhöhung im nun vorgelegten Regierungsentwurf. Dieser Gesetzentwurf wurde federführend vom Ressort der Thüringer Finanzministerin Heike Taubert (SPD) erstellt. Im Gesetzentwurf heißt es weiter: „Daher seien zur Sicherstellung einer verfassungsmäßen Alimentation, insbesondere zur Wahrung des Mindestabstands zur Grundsicherung, ab dem 1. Januar 2023 eine Anpassung der alimentationsrelevanten Besoldungsbestandteile um 3,25 Prozent sowie steuerfreie Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise zwingend erforderlich.“
Im Gesetzentwurf ist auch eine weitere Erhöhung der Familienzuschläge ab dem dritten Kind vorgesehen. Alle diese Erhöhungen sollen jedoch mit der nächsten tarifumsetzungsbedingten Besoldungsanpassung verrechnet werden. Von Seiten der Regierung wird im Gesetzentwurf die Anhebung der Bezüge als alternativlos dargestellt: „In Bezug auf die Alimentation der Beamten des Landes und der Kommunen sowie der Richter bestehen keine Alternativen, da ansonsten diese für das Jahr 2023 verfassungswidrig ist.“
Der tbb vertritt die Auffassung, dass mit den von der Landesregierung im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen (Zahlung einer auf das Jahr 2023 beschränkten Inflationsprämie und danach Anhebung der Grundbesoldung um 3,25%) allein die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes für eine dem Amte nach angemessene Alimentation nicht dauerhaft eingehalten werden und bereits im nächsten Jahr wieder eine verfassungswidrige Unteralimentation gegeben sei.Durch die bislang in Thüringen vorgenommenen Änderungen kommt es zu einem dauerhaften Ungleichgewicht zweier grundrechtsgleicher Rechte durch die Überbetonung des Alimentations- zu Lasten des Leistungsprinzips, verdeutlicht an folgendem Beispiel: Um den Besoldungs„vorsprung“ einer/s Kollegin/en in A 6 Stufe 1 mit 2 Kindern „betragsmäßig“ einzuholen, muss ein in A 6 eingruppierte/r Beamtin/er ganze 34 Jahre arbeiten.
Hintergrund:
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinen Beschlüssen vom 4. Mai 2020 die Bezüge der Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppen R 1 und R 2 des Landes Berlin (Az. 2 BvL 4/18) und der Besoldungsgruppe R 2 des Landes Nordrhein-Westfalen (Az. 2 BvL 6/17, 2 BvL 7/17, 2 BvL 8/17) für bestimmte Zeiträume mit Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes für unvereinbar erklärt. Das TFM hat daraufhin die Thüringer Besoldung mehrfach anpassen müssen. Der Thüringer Besoldungsgesetzgeber hat in Reaktion auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2020 vorrangig die Kinderzuschläge angehoben. Ein Großteil der Beamtinnen und Beamten, die Widerspruch eingelegt haben, gingen damit leer aus. Das dies nicht die Lösung sein kann zeigen auch die fast 7.000 Widersprüche, die Beamtinnen und Beamte für 2021 eingelegt haben.
Der Thüringer Beamtenbund (tbb) ist der Dachverband für die Fachgewerkschaften im öffentlichen Dienst und setzt sich für eine dem Amte nach angemessen Alimentation ein. Er empfahl den zahlreichen Mitgliedern seiner Fachgewerkschaften im öffentlichen Dienst in Thüringen in den Jahren 2021 und 2022 den Klageweg gegen die Besoldung zu beschreiten. Mit Stand September 2022 wurden an den Thüringer Verwaltungsgerichten knapp 1.000 Klagen zur Alimentation eingereicht. Zuvor waren mehr als 14.000 Widersprüche im Jahr 2020 durch Beamtinnen und Beamte eingelegt worden. Der tbb selbst unterstützt dabei 4 Klagen, die als Musterklagen an den Thüringer Verwaltungsgerichtsstandorten geführt werden. Der tbb hatte sich diesbezüglich mehrfach an das Finanzministerium sowie das Justizministerium gewandt, um eine Musterklagevereinbarung zu erreichen. Diese sollte der Entlastung von Verwaltung und Gerichten dienen. Die Finanzministerin war dazu nicht bereit. Zwischenzeitlich wurde durch das Justiziat des TFM die Ruhendstellung des Großteils der eingegangenen Klagen aktiv betrieben, ebenfalls mit dem Ziel der Entlastung.