Anhörung der BI „Lebensraum Apfelstädt“: Interview Onno Eckert

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Fast vier Stunden währte die Anhörung der Bürgerinitiative (BI) „Lebensraum Apfelstädt“ am 20. Januar 2022 durch den Petitionsausschuss des Thüringer Landtags.
Im Nachgang interviewte „Oscar am Freitag“ Gothas Landrat Onno Eckert, der vom Kreistag beauftragt war, das Anliegen der BI „Lebensraum Apfelstädt“ zu unterstützen:

Landrat Onno Eckert. Foto: „Oscar am Freitag“

Sie haben im Landtag deutlich gemacht, dass sie nicht nur die Positionen des Kreistages vortragen, sondern damit auch persönlich übereinstimmen. Ist das so?
Ja. Ich habe mich schließlich schon länger mit dem Thema befasst und meine Ansichten geschärft.
Klar ist – das Trockenfallen der Apfelstädt hat natürliche Ursachen. Es passierte auch, bevor die Talsperren gebaut wurden.
Ich frage mich aber, ob man bei der Beurteilung der aktuellen Situation so tun kann, als wären die Talsperren NICHT da?
Umwelt-Staatssekretär Möller hat berechtigterweise aufmerksam gemacht, dass sie die Orte entlang der Apfelstädt vor Überschwemmungen bewahren. Ebenso sinnvoll war es doch aber bisher auch, dank ihrer das Trockenfallen mindern zu können.
Und wenn, wie vor allem ab 2019 zu beobachten war, dies dann nicht mehr nur wenige Wochen im Hochsommer dauert und das dem Ökosystem schadet, dann ist das Talsperrenwasser umso mehr gefragt.

Sie sprachen abschließend auch über Moral in der Politik. Da lachten Abgeordnete…
…was mich kurz irritierte, ja. Aber es zeigte, dass sie tatsächlich zugehört hatten. Ihr höhnisches Gelächter sagt allerdings viel über sie aus.
Es geht beim Thema Apfelstädt nämlich auch darum, nach welchem Kompass Politik gemacht wird. Politik hat immer etwas mit Brücken bauen zu tun.
Solche Brücken gibt es auch hier: Staatssekretär Möller sagte, das Projekt zur Nutzung der Westringkaskade habe die vorherige Regierung begonnen.
Das stimmt. Aber was früher richtig war, muss es heute nicht mehr sein. Deshalb sollte man es nicht einfach so weiter praktizieren. Und vor allem darf dies nicht Prämisse für verantwortungsvolle und integer agierender Politik werden. Diese Regierung hat immer betont, sie setze auf Bürgerbeteiligung. Genau dafür steht die BI.

Was hindert das Umweltministerium, mit heutigen Erkenntnissen die Umweltverträglichkeit erneut prüfen zu lassen?
Die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises bemängelt gerade diesen kategorischen Ausschluss einer solchen Möglichkeit.
Eine politische Antwort auf die Argumente der BI wäre zu sagen: Es gibt zwar keine Pflicht für eine neue Prüfung, aber wir machen sie dennoch. Wir nehmen die Westringkaskade jetzt vorläufig außer Betrieb, bis deren Umweltverträglichkeit geprüft ist, die Ergebnisse abschließend ausgewertet und diskutiert sind.
Das sollten wir aber jetzt tun, bevor mögliche Auswirkungen auf die Apfelstädt und das FFH-Gebiet Apfelstädt-Aue unumkehrbar geworden sind.

Ein Argument pro Westringkaskade ist, dass man mit der Stromerzeugung Geld verdiene und so die Bewirtschaftungskosten der drei Talsperren  teilweise decken könne. Ist das so?
Was erlöst wird, dazu gibt es verschiedene Angaben. Aber die Forderungen der BI, denen sich der Kreistag angeschlossen hat, gehen ja nicht dahin, die Stromerzeugung zu beenden. Vielmehr steht die Frage im Raum: „Was ist uns dieses Ökosystem Apfelstädt wert?“
Es geht also darum, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen: Weniger Wasser für die Westringkaskade abzugeben, würde erlauben, mehr Wasser der Apfelstädt zukommen zu lassen.
Der Umsatzausfall wäre vermutlich eine Summe, die man aus dem Landeshaushalt kompensieren könnte. Leider gibt es aber keine belastbare Aussage zur Höhe des Verdienstes durch die Stromerzeugung.

Wie geht es nun weiter?
Das hängt maßgeblich davon ab, wie sich der Umweltausschuss des Landtags positioniert. Ein Moratorium und eine valide Begutachtung könnten dank der Anhörung neue Positionen bei einigen Abgeordneten geworden sein, so mein Eindruck.

Was, wenn es nicht so kommt?
Das wird man dann entscheiden.
Als Landkreis haben wir zumindest vor, ein Monitoring zu beauftragen, dessen Ergebnisse dann auch in die politische Debatte eingebracht werden.
Ganz sicher aber wird man auch juristische Schritte prüfen müssen.
Der Vorschlag von Staatssekretär Möller, dass man ja klagen könne, ist indes unmoralisch. Deshalb, weil nur der klagen kann, der klageberechtigt ist, was z. B. Inhaber von Wasserrechten sein können, wovon es wiederum nur wenige gibt.
Letztlich bleibt dann die konkrete Frage im materiellen Recht des Einreichers. Sie sehen: Der Klageweg ist komplex.
Allerdings sei noch einmal hervorgehoben, was Angela Markert, die Anwältin der BI, in der Anhörung sagte: Bürger müssen auf das rechtstreue Verhalten der Exekutive setzen dürfen und dass sie von sich aus darauf achtet.
Deshalb sollte das Umweltministerium seine aktuelle Position überdenken.

(Interview: Rainer Aschenbrenner)

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