„Volles Programm“ – Wolfgang Niedecken gelingt nach seinem Schlaganfall ein beeindruckendes Konzert mit BAP in der Thüringenhalle Erfurt

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Erfurt. Der Mann macht vor gar nichts halt: Fortuna Düsseldorf hat unlängst den höchsten Fußball-Feiertag gefeiert und den Aufstieg in die Bundesliga geschafft, während  der 1.FC-Köln-Fan Wolfgang Niedecken den Abstieg seiner Elf  in die zweite Liga verkraften muss. Dies unerwähnt zu lassen geht bei Wolfgang Niedecken nicht. Es gibt Dinge die kann man nicht ändern.  „Auch das Leiden mit seinem Club“.

Und mehr noch: Der 62-jährige Kopf der Gruppe BAP freut sich sogar ein wenig über den Aufstieg des fußballerischen Erzrivalen, weil Campino „eine so schöne Laudatio auf meinen Echo-Lebenswerk-Preis gehalten hat.“ Ach so einfach ist das im Fußball? Campino, Frontman der Toten Hosen ist bekennender Düsseldorf-Fan.

Nicht nur in Köln, auch in der Thüringenhalle Erfurt hat Wolfgang Niedeckens BAP ein Heimspiel. Proppenvoll ist die Halle. Das Publikum ist gereift mit den Kölsch-Rockern, die seit nun 31 Jahren rheinisches Idiom mit Rock’n’Roll in wunderbaren Einklang bringen.

Textsicher ist die Zuhörerschaft ohnehin und mit dem „Vollen Programm“, so der Titel der BAP-Tour, bestens bedient. Klassiker reihen sich an die neuen Songs vom aktuellen Album „Halv su wild“, der Titelsong ist an diesem Dienstagabend auch das Intro – es folgt ein fast dreistündiges Programm, das insbesondere deshalb so spannend ist, weil es einer imaginären Dramaturgie zu folgen scheint und nicht als Kaleidoskop bekannter und deshalb so beliebter BAP-Hits daherkommt.

„Alexandra“ (aus dem 1984er Album „Zwesche Salzjebäck un Bier) und „Babylon“ aus der aktuellen CD sind dabei, natürlich „Kristallnaach“ (1982), und „Verdamp lang her“ (1982). – Hymnen, die zweifellos ihre Zeit gehabt haben. Mit „Noh all dänne Johre“ schickt BAP jedoch sogleich eine aktuelle („Halv su wild“, 2011) hinterher – Glücksgriff oder Absicht? Auf jeden Fall ein ganz starkes Stück in dem vollen Programm.

Michael Nass (Keyboards), Helmut Kumminga (Gitarre), Jürgen Zöller (Drums) und Werner Kopal (Bass) sind gut aufgelegt. Anleihen an Bob Dylan und Bruce Springsteen sind natürlich inklusive an diesem Konzertabend. Es ist wie immer, aber doch anders: Für Niedecken ist die Tour mit zunächst 15 Konzerten in Deutschland der zweite Anlauf.

Im November vergangenen Jahres hatte ihn der Schlag getroffen. Zu Hause passierte es, just als er Faulkners „Licht im August“ las und seine Frau Tina ihn im Sessel sitzend fand. Niedecken hat viel von diesem Novembertag öffentlich gemacht, nicht hinterm Berg gehalten. „Ich bin wieder am Start“, sagte er dann. Nun ist er wieder gesund, deutlich dünner als vor dem Schlaganfall, der ihm fast das Leben kostete. „Ich bin fitter als vorher“ sagte Niedecken auf Anfrage.


Er trägt seinen Bart nun länger, das graue Haar schimmert unter der Mütze hervor. Und dann singt er mit „Paar Daach fröher“ ein so wunderbares Lied an seinen Schutzengel, in dem es heißt: „Do, wo du bess, ess dä Nabel der Welt, weiß jetz, wat mir all die Johre jefählt…un wenn ich falle, dann bess du mieh Netz. Dich halt ich fess, dich loss ich nit mieh loss. Do, wo du bess, benn ich endlich zohuss. Hätt ich dat bloß paar Daach fröher jewoss!“

Als ob es in Erfurt dazu gehört, kommt in der zweiten Zugabe wie aus dem Nichts Clueso auf die Bühne. Der hatte am späten Nachmittag getwittert – „Ich packe die Gitarre ein und gucke mal hoch“.

Es folgten 3 Songs die zusammen ganz wunderbar die sowieso schon heiße Thüringenhalle noch mehr erwärmten. Mit „Für immer jung“ endete ein großartiges Konzert –

mit viel Gefühl, und mit „Vollem Programm“!

Text & Fotos: Holger John / VIADATA


Alle Bilder vom Konzert gibt es hier.

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