Flammende Botschaften an und wegen der Apfelstädt

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Kerzen am Wehr der Apfelstädt in Apfelstädt. Foto: Bürgerinitiative (BI) „Lebensraum Apfelstädt“

Gotha (red/ra, 29. Dezember). Im Advent leuchten Kerzen symbolisch für die die zunehmende Erhellung in Vorfreude auf „das Licht der Welt“, die Geburt von Jesus Christus. Jene Hunderte, die jüngst das Apfelstädt-Wehr in ihr mildes Licht tauchten, brannten hingegen als flammende Mahnung – zum zweiten Mal nach 2020.

Die Mahnung – organisiert von der Bürgerinitiative (BI) „Lebensraum Apfelstädt“ – galt denen, die mit der BI um den Fluss und seine Zukunft kämpfen. Sie sollte Mut machen, alle Unterstützer motivieren, nicht nachzulassen.

Zugleich war es eine flammende Botschaft an all jene, die es offensichtlich darauf anlegen, die Apfelstädt versiegen zu lassen.

Einer der wichtigsten Akteure im Kampf für den Fluss ist Rico Heinemann. Mit ihm sprach „Oscar am Freitag“:

Solch Erleuchtung braucht es wohl in diesen Tagen?
Ja, wir wollten zeigen, dass wir am Ball bleiben. Vieles passiert derzeit im Hintergrund. Nicht alles können wir kommunizieren. Aber wir sind da, sind breit aufgestellt – das wollten wir zeigen und das kam gut an.

Corona bremst offenkundig auch Sie aus – die jüngste Bürgerversammlung wurde ja deshalb abgesagt…
…weil wir natürlich die Regeln einhalten wollen. Unser Anliegen zieht allerdings solche Kreise und mobilisiert so viele, dass man das halt aktuell nicht mehr in einem Saal machen kann. Wir spielen nicht mit dem Feuer. Deshalb nutzen wir Möglichkeiten von Frischluft-Veranstaltungen – wie eben jüngst am Wehr.

Wie geht es Ihrem Sorgenkind, der Apfelstädt?
Nicht gut. Trotz recht üppiger Niederschläge in diesem Jahr fiel die Apfelstädt wieder trocken. Immerhin rund 1/3 mehr Wasser als in anderen Jahren stand zur Verfügung. Wir haben beobachtet, dass nur nach Starkregen der Pegel wieder steigt.
Aber wen wundert das, wenn täglich 45.000 Kubikmeter Wasser – damit kann man 180.000 Badewannen füllen – zugunsten der Westringkaskade abgegraben werden?!?
Und dann stellt sich Umweltministerin Siegesmund hin und nennt immer noch den Klimawandel als Ursache. Sie lügt schlichtweg.

Das ist ein harter Vorwurf…
…den wir belegen können. Wir haben das ganz genau übers Jahr beobachtet. Dafür haben wir inzwischen ausreichend Belege.
Ein Beispiel nur: Sie hat noch vor einiger Zeit erklärt, man verwende für die Westringkaskade nur Wasser, das im Winterhalbjahr anfalle. Wir fragen uns: Wo sind die Stauseen, die dieses Wasser speichern und dann übers Jahr die Kaskade speisen?
Jetzt auf einmal, in ihrer Antwort auf eine Landtagsanfrage, hieß es dann, sie hätte nie solche Aussage gemacht. Sie verstrickt sich immer mehr in Widersprüche.

Das scheint ein aufwändiger, ein mühsamer Kampf zu sein. Wie schafft das die BI personell?
Den harten Kern bilden rund 25 Leute. Allerdings haben wir weitaus mehr Unterstützer, die uns bei unseren Aktionen zur Seite stehen. Auch in finanzieller Hinsicht gibt es Rückhalt. Unsere Facebook-Gruppe hat 774 Mitglieder. Im Durchschnitt erreichen wir damit 1000 bis 1.200 Leute. Ähnlich sieht es auf Twitter aus.
Am deutlichsten zeigte sich die breite Sympathie für unser Tun, sandten wir Petitionen an den Landtag. Da kamen 5.800 Unterschriften zustande. Auch die erforderlichen 1.600 Unterschriften via Online-Petition für die Anhörung im Landtag im Januar hatten wir schnell zusammen.

Das Thema an sich ist ja – obwohl nun immer öfter augenscheinlich – für Laien eher nicht zu stemmen. Haben Sie fachliche Unterstützung?
Ja – und wir sind dafür sehr dankbar.
Da ist zum einen Professor Dr. Michael Stützer, der früher an der TU Ilmenau lehrte und nun an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHWB) Mannheim ist.
Rechtlichen Beistand gewährt uns die Leipziger Rechtsanwältin Angela Merkert – eine ausgewiesene Fachfrau in Sachen Öffentlichen Rechts.
Hilfe gewährt uns Diplomingenieur (TU) Sven Richter aus Wohlsborn, der
öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Wasserkraftanlagen ist.

Was steht als Nächstes an?
Die öffentliche Anhörung am 20. Januar im Petitionsausschuss des Thüringer Landtags. Darauf arbeiten wir schon seit Monaten hin. Unser Anliegen muss überzeugend präsentiert werden, muss Hand und Fuß haben. Glücklicherweise können wir da auf die frühere FDP-Landtagsabgeordnete Dr. Ute Bergner setzen, die uns schon bei anderer Gelegenheit geholfen hat.

Wie sieht der Rückhalt bei den anderen Parteien im Landtag aus?
Uns interessiert zunächst nicht, welcher Partei jemand angehört. Wir suchen jene, die sich unseres Anliegens annehmen und uns helfen, die politischen wie juristischen Hürden nehmen zu können.
Dr. Marit Wagler von den LINKEN gehört dazu. Auf Empfehlung von Vera Fitzke haben wir uns nun an Sascha Bilay, den kommunalpolitischen Sprecher der LINKEN, gewandt. Auch mit dem SPD-Mann Danny Möller gibt es Kontakte wie zu weiteren Vertretern aller politischen Parteien im Landtag – mit einer Ausnahme.

Die da wäre?
Die GRÜNEN verweigern sich, nicht nur im Landtag. Auch der Kreisverband Gotha und selbst deren Mitglieder hier vor Ort, im Gemeinderat, schweigen sich aus – obwohl es uns hier vor Ort betrifft. Es geht vordergründig um eine wissentliche Zerstörung eines Naturschutzgebietes, schlussendlich aber um ein klassisches kommunales Problem. Selbst ein Appell, eine direkte Aufforderung unseres Ortsteilbürgermeisters Rainer Seyring bewirkte keinen Sinneswandel.
Aber alle Hoffnungen ruhen nun auf dem 20. Januar nächsten Jahres. Wir hoffen, dass dann nicht – wie schon einmal passiert – um des lieben (Koalitions-)Friedens willen das ganze unter den Tisch gekehrt wird.
Schon beim Gedanken daran, rollen sich mir die Fußnägel hoch.
Aber würde dies eintreten – dann hätte ich ein massives Problem mit solcherart ,Demokratie‘.

Hoffen wir das Beste! Wir wünschen Ihnen Erfolg und der Apfelstädt, dass sie wieder mit plätschernder Gelassenheit durch den Landkreis fließen möge. Danke fürs Gespräch!

Interview: Rainer Aschenbrenner

(zuerst veröffentlicht im gedruckten „Oscar am Freitag“ vom 17. Dezember 2021)

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