Herzlichst…

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„Diese Art von Schwindel, bei dem man zwar die Kühnheit besitzt, die Wahrheit einzugestehen, aber doch nur, indem man sie großenteils mit Lügen versetzt, die sie verfälschen, ist verbreiteter als man denkt.“

Diese Worte habe ich von Marcel Proust gestohlen, um mit der neuesten Mode unserer Politiker mithalten zu können. Schon komisch. Wer als Kind seine Eltern belügt, bekommt eine Watsche. Wer später gleich 81 Millionen Menschen belügt, bekommt einen Sitz im Bundestag. Wem es früher eingefallen ist, auf der Schulbank abzuschreiben, drohte ein Klassenverweis und Note sechs. Diejenigen, die sich dabei nie erwischen ließen, bekamen die guten Noten und sind heute Größen unserer Bundesrepublik. Nun ist es, als hätte man ein Tuch über einer Horde Schaben weggezogen und nun entblößt sich, welches Nest darunter sitzt. Die erste Schabe ist hervorgekrochen und prompt erwischt worden. Nun blendet auch den Rest ein grelles Licht, sodass sie gar nicht recht davonlaufen können.

Plagiatsvorwürfe gegen Silvana Koch-Mehrin, den Sohn von Gaddafi und sogar die Tochter von Edmund Stoiber. Lug und Betrug schwindelt sich bis ganz nach oben, wo sie mit offenen Armen von Ihresgleichen empfangen werden. Ich bin gespannt, wer sich als nächstes in die Reihe der Schwindler einordnet, oder ob sich doch noch irgendjemand findet, der dieses Land mit eigenem Wissen führt. Denn: Wenn die Herrscher täglich betrügen, wie kann man da erwarten, dass die Untertanen es nicht genauso machen? (Dschuang Dsi) In diesem Sinne.

Herzlichst,
Ihre Bianca Albrecht
(balbrecht@oscar-am-freitag.de)

Publiziert: 8. Mai 2011, 10.05 Uhr; erschienen in der aktuellen Gothaer Ausgabe von Oscar am Freitag