Experte: „Thüringen kann über mehrere Wochen Risikogebiet werden“

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Grafik: Tumisu/Pixabay

Gotha (red/ra, 6. Februar). Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bekam Post vom Erfurter Risikomanager Andreas Wenzel.

Der hatte ein spezielles Analyse-Werkzeug für ein Pandemie-Management entwickelt, das auch mit großem Erfolg vom Landratsamt Gotha verwendet wird („Oscar am Freitag“-Interview mit Andreas Wenzel):

Das basiert auf den tagesaktuellen Daten des Robert-Koch-Institutes, ermittelt damit die Reproduktionszahl – auch R-Wert genannt – und die geschätzte Zeitdauer für die Verdoppelung oder Halbierung täglicher Neuinfektionen im Landkreis.

Wenzels Methode bringt vor allem Gewinn an Zeit: Sie überwindet die Lücke zwischen Abstrich, Laboranalyse und Mitteilung des Befundes, ermöglicht eine seriöse Schätzung der zum jeweiligen Tag Erkrankten (siehe auch die Website).

Angesichts aktueller Zahlen drohe laut Wenzel eine dramatische Verschlechterung der Situation in Thüringen. Er hatte sein Tool auch dem Thüringer Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellt, dort aber kein Gehör gefunden.

Gestern hatte er deshalb auch einen dramatischen Aufruf auf Facebook gestartet, weil aus seiner Sicht der Ernst der Lage von der Landespolitik völlig verkannt werde („Oscar am Freitag“ berichtete).

Nun folgte diese Mail an Ramelow:

„Sehr geehrter Herr Ramelow,
bisher habe ich Sie für Ihre ausgewogene und auch besonnene Arbeit im Umgang mit der Pandemie sehr geschätzt.
Aufgrund der aktuellen Dynamik möchte ich Ihnen meine aktuellen Simulationsdaten zur Verfügung stellen. Es ist leider auch in Thüringen enger als es auf den ersten Blick scheint.
Noch ist die 7-Tage-Inzidenz in Thüringen im Rahmen. In den vergangenen Wochen ist jedoch eine erhebliche Dynamik zu beobachten, die nicht zu unterschätzen ist und größer ist als in anderen Bundesländern. Mein Modell simuliert derzeit eine stabilisierte Reproduktionszahl von etwa R(t) = 1,30 bis 1,50. Zum Donnerstag ist es meist geringfügig mehr als zum Wochenbeginn (das Modell ist aber stabiler als das vom RKI).
Wenn sich die Dynamik weiter so fortsetzt, ist die Inzidenz bei uns sehr schnell
> 50 Fälle/100.000 Einwohner.

Das Risiko dabei ist: Bei dieser Anstiegsdynamik liegt Thüringen in dem Moment, in welchem die 50 Fälle messbar sind und berichtet werden, mit hoher Wahrscheinlichkeit schon deutlich darüber. Ein Einbremsen würde dann sehr lange dauern und es ist nicht unwahrscheinlich, dass Thüringen dann über mehrere Wochen zum Risikogebiet werden würde.
Deshalb halte ich es für sinnvoll, die Ernsthaftigkeit der Dynamik jetzt auch zu kommunizieren. Bei einer Reproduktionszahl von 1,4 und einer Inzidenz von 16,2 sind die 50 Fälle leider näher als es sich manch einer vorstellen kann. Noch haben wir es in der Hand und ich wäre glücklich, wenn es so bleibt.
Vielleicht lässt sich das doch irgendwie noch kommunikativ lösen, bevor härtere Maßnahmen kommen.
Für Fragen stehe ich Ihnen sehr gerne zur Verfügung.

Herzliche Grüße
Andreas Wenzel, Erfurt“

H&H Makler

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